Rücktritt und Neustart Berlusconis

Der italienische Ministerpräsident wirft aus taktischen Gründen das Handtuch, denn er will mit seinen alten Partnern eine neue Koalitionsregierung bilden. Doch die Parteien sind völlig zerstritten. Daher sind kurzfristige Neuwahlen nicht auszuschließen

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Nun ist er also doch zurückgetreten. Silvio Berlusconi, der noch am Montag eine Demission erst hatte ankündigen lassen, um sie dann nicht zu vollziehen, erklärte gestern vor dem italienischen Senat das Ende seiner bisherigen Regierung. Im Anschluss begab er sich zu Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und reichte den Rücktritt ein. Zugleich aber bekannte er sich zum sofortigen Neustart: Mit allen bisherigen Partnern – auch mit der letzte Woche aus dem Kabinett ausgescherten christdemokratischen UDC – will Italiens Ministerpräsident unverzüglich ein neues Kabinett bilden.

Eine Wahl hatte Berlusconi gestern nicht mehr. Ihm war es zwar gelungen, sich mit der Nummer vom Montag noch einmal als Boss der Koalition aufzuführen, doch damit hatte er sich nach der UDC auch einen zweiten Koalitionspartner abspenstig gemacht, die postfaschistische Alleanza Nazionale (AN) unter Außenminister Gianfranco Fini. Die AN hatte wie die UDC nach den für Italiens Rechte verlorenen Regionalwahlen einen radikalen Kurswechsel der Regierung gefordert, war in den Krisentagen aber als vorsichtiger Vermittler zwischen Berlusconis Forza Italia und der UDC aufgetreten. Und als Fini sein Vermittlungsziel scheinbar erreicht hatte, als er am Montagnachmittag den Rücktritt der Regierung und die Bildung eines neuen Kabinetts ankündigte, führte Berlusconi ihn als komische Figur vor.

Die AN hat das dem Regierungschef nicht verziehen. Auf einer Sitzung des Parteipräsidiums wurde Dienstag beschlossen, dass alle Minister ihren Rücktritt einreichen, sollte Berlusconi den Konflikt nicht vorher lösen.Vor allem unterstrich die AN die Gegnerschaft der Partei zu der „Achse des Nordens“ zwischen Berlusconi und der Lega Nord, die sich als „Herr der Koalition“ aufführe. Berlusconi habe nur die Option, zurückzutreten und der AN ebenso wie der UDC auf Kosten der Lega in der neuen Regierung entgegenzukommen.

Der Regierungschef verstand, dass es ernst ist. Gestern Vormittag empfing er den Lega-Politiker und Arbeitsminister Roberto Maroni. Angeblich sprachen die beiden drei Stunden lang über „Renten“. Wenn, dann war es ihre eigene Rente, die sie bald einreichen können, wenn die Koalition an der Unnachgiebigkeit der Nordachse zerbrechen und in dann anstehenden Neuwahlen eine Niederlage erleiden sollte.

Glaubhafter ist, dass Berlusconi der Lega einen Kompromiss schmackhaft zu machen suchte. Schließlich wollen AN und UDC eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des armen Süditalien, schließlich verlangen sie Korrekturen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik statt weiterer Steuergeschenke für Wohlhabende. Und schließlich wollen sie der Lega den Posten des Ministers für Verfassungsreformen wegnehmen, jenes Ministers also, der für die dem Parlament vorliegende Föderalismusreform zugunsten des reichen Nordens zuständig ist.

Daher ist unsicher, ob Berlusconis Rettungsaktion tatsächlich Erfolg hat: Er steht vor dem Dilemma, bei der Regierungsneubildung entweder AN und UDC oder die Lega vor den Kopf zu stoßen. Ein Kompromiss, der beide Seiten zufrieden stellt, zeichnet sich bisher nicht ab. Deshalb ist Berlusconis Scheitern inklusive kurzfristiger Neuwahlen nicht auszuschließen. Auszuschließen ist dagegen ein wirklicher Neustart der Koalition: Bestenfalls reicht es zu einem neuen Kabinett zur Mobilisierung des letzten Aufgebots.