Das Publikum schlägt zurück

Hippen rät ab: In „Fanboys“ von Kyle Newman werden die Fanatiker des Kinos zum ersten Mal zu dessen Helden und verlieren den Kampf gegen Klischees

Leider macht Newman zu wenig aus seinen interessanten Vorgaben. Die Helden durchleben die gängigen Klischees einer Teenagerkomödie à la „Road Trip“

Von Wilfried Hippen

„Es ist doch nur ein Film!“ sagte in einem seiner wenigen sanftmütigen Momente Alfred Hitchcock zu einer an ihm verzweifelnden Schauspielerin. Doch dieses Konzept ist einigen Kinobesuchern völlig fremd. Fans nehmen ihre Lieblingsfilme so ernst wie sonst kaum etwas anderes in ihrem Leben.

Dabei ist das Phänomen alles andere als neu. All jene, die sich im 19. Jahrhundert nach der Lektüre von Goethes Werther umbrachten, waren eindeutig Fanatiker und aus solchen wurden nicht nur umgangssprachlich schon im frühen 20. Jahrhundert eben die Fans. Die in den 80er Jahren so modern und schick klingende Wortkonstruktion „fanzine“ für Fanmagazine war in den USA schon in den 30er Jahren gebräuchlich. Im Kino ging gerade mit all den in schwarz gekleideten Jugendlichen bei den ersten Vorstellungen des neuen Harry Potter -Films eine Fanlawine ab und die zum Teil hysterischen Reaktionen auf den Tod von Michael Jackson sind weitere Blüten des fandoms.

Aber die Spiegelung dieses Phänomens in Filmen, Romanen und Comics war bisher erstaunlich selten. Es gab höchstens Kriminalfilme, in denen Fans die Objekte ihrer Begierden verfolgten. Desirée Nosbusch spielte in den frühen 80er Jahren solch eine Täterin, deren Obsession schließlich im Kannibalismus endete und bei einem Psychothriller mit Lauren Bacall wurde der Originaltitel „The Fan“ vom Verleih noch schön ordentlich in „Der Fanatiker“ übersetzt. Aber auf Augenhöhe hat sich bisher noch kein Spielfilm mit den extremen Nachwirkungen seinesgleichen beschäftigt, und so gebührt „Fanboys“ zumindest ein Platz in der Kulturgeschichte.

Die Fangemeinde von „StarWars“ ist eine der größten und radikalsten. Über die „Trekkies“, also die Anhänger der Konkurrenz-Mythologie “Raumschiff Enterprise“, kann man sich besser lustig machen, aber was sind das Beamen und die Klingonen schon im Vergleich zu Laserschwertern und Jedi-Rittern? Genau solch eine direkte Auseinandersetzung gibt es tatsächlich in „Fanboys“, wenn die Titelhelden extra zu einem Star-Trek-Treffen gehen, um sich über dessen Teilnehmer lustig zu machen. Denn sie sind alle eingefleischte Sternenkrieger, und als solche fahren sie zusammen quer durch die USA zur Skywalker Ranch von George Lucas in Kalifornien. Dort wollen sie die Original-Filmrolle zu „Star Wars: Episode 1 - The Phantom Menace“ stehlen, denn der Film spielt im Jahr 1999 und einer von ihnen ist so krank, dass er die offizielle Premiere des Films nicht mehr erleben würde. Das Wichtigste in seinem kurzen restlichen Leben besteht also darin, diesen Film zu sehen. Und da seine drei Freunde diese Besessenheit mit ihm teilen, ist es selbstverständlich, wenn sie zusammen zu dieser abenteuerlichen Reise aufbrechen. Damit hat der Regisseur Kyle Newman sein Thema schön auf den Punkt gebracht.

Aber leider macht Newman nur wenig aus diesen interessanten Vorgaben. Die jungen Helden durchleben die gängigen Klischees einer Teenagerkomödie à la „Road Trip“. So gibt es eine Zwischenstop in Las Vegas, einen Kurzaufenthalt im Gefängnis und viele verklemmte Witze über die unausgelebten sexuellen Wünsche der spätpubertierenden Helden. Und natürlich ist der Film gespickt mit popmythologischen Anspielungen. Carrie Fischer, die Prinzessin Leia aus „Star Wars“, hat einen Gastauftritt wie auch die Gegenikone William Shatner alias Kaptain Kirk. Der Film hat zu wenig Distanz zu seinen Protagonisten, um diese wirklich treffend zu porträtieren, und es spricht für die Fangemeinde, dass sie diese Anbiederung in ihren Internetforen vernichtend bewertete.