TIEF UNTER TARANTINO
: Hüte dich vor Kellern

Alle zielen mit ihren Revolvern aufeinander

1 Uhr 20. Wir sind müde und wollen gehen. Aber der Lastenaufzug steckt zwischen Erdgeschoss und Keller des Loewe-Baus fest. Hinweisschilder auf hellgrünen Wänden betonen, dass Personen nur im Ausnahmefall befördert werden dürfen. „Maximalgewicht: 1 Tonne“. Ich versuche die Leute zu zählen, kann mich aber nicht konzentrieren. 25? Wer weiß. Der Liftboy, ein älterer Herr im schwarzen Anzug, drückt nervös Knöpfe. Es ist heiß und ein bisschen stickig. Er ruckelt an den Metalltüren, bis sie sich öffnen. Wir sind im Keller. Der Liftboy will, dass wir im Aufzug bleiben. Er habe keinen Schlüssel fürs Treppenhaus. „Zu kompliziert“. Als wir den Keller dennoch betreten, hält er uns nicht auf. Fahrradwracks und ein Einkaufswagen mit leeren Flaschen stehen herum.

Im zweiten Stock des Moabiter Industriegebäudes feiert währenddessen Quentin Tarantino die Deutschland-Premiere seines jüngsten Coups, „Inglourious Basterds“. Es gibt Mini-Hamburger und Mini-Tramezzini, August Diehls schöne Begleiterin schlüpft aus ihren High Heels, als sie darin nicht mehr stehen kann, Tarantino trägt ein schwarzes Hemd mit schwarz-weiß gepunkteten Applikationen, dazu Jeans. Und Brad Pitt? Der muss im VIP-Bereich verschwunden sein. Auf einer Leinwand laufen Filmausschnitte, anhand einer Szene aus „Zwei glorreiche Halunken“ lässt sich lernen, wie ein Mexican Standoff aussieht: Alle zielen mit ihren Revolvern so aufeinander, dass niemand entkommt.

Im Film debattieren die Basterds ausgiebig darüber, warum um alles in der Welt die Geheimagentin Bridget von Hammersmark für das konspirative Treffen eine Kellerbar vorgeschlagen hat – wo der Keller doch der gefährlichste Kampfschauplatz überhaupt ist. Der Liftboy führt uns an den Mülltonnen vorbei zu einem zweiten Lastenaufzug. Wohlbehalten kommen wir im Erdgeschoss an. CRISTINA NORD