Union attackiert Papst-Botschafter

Der Visa-Untersuchungsausschuss wird zum Problem – für die Ankläger von der CDU/CSU. Die Abgeordneten sind schlecht vorbereitet, mosern Zeugen an und schreien herum. Botschafter decken und entlasten Außenminister Fischer in der Visa-Affäre

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Der Mann ist Botschafter am Heiligen Stuhl. In wenigen Stunden wird Gerd Westdickenberg wieder nach Rom zurückfliegen, um Deutschland bei der Inauguration des deutschen Papsts Benedikt XVI. angemessen zu repräsentieren. Vorher aber muss der Diplomat noch im Visaausschuss des Bundestags aussagen – und sich an schlechte Manieren gewöhnen.

„Entschuldigen Sie, Herr Botschafter, wir wollen nicht wissen, was Sie im Auswärtigen Amt alles gemacht haben“, unterbricht ihn der Vorsitzende Hans-Peter Uhl (CSU) nach wenigen Sätzen. Westdickenberg möge sich bitte beeilen. „Wir wollen heute im Ausschuss noch wichtige Zeugen hören. Bitte beziehen Sie sich bei Ihren Antworten nur auf den Untersuchungsgegenstand.“

Uhl war früher Kreisverwaltungsreferent in München, eine Art Innenminister der bayerischen Landeshauptstadt. Mit seinen Methoden mag er es geschafft haben, einen jugendlichen Serienstraftäter wie Mehmet einzuschüchtern. Mit dem deutschen Gesandten beim Papst gelingt ihm das nicht. Mit stoischer Ruhe unterscheidet Westdickenberg zwischen seiner Erinnerung und dem, was er sich in den vergangenen Tagen in den Aktenkellern des Auswärtigen Amtes anlesen musste.

Dabei ist die Union auf Gerd Westdickenberg angewiesen. Er ist einer ihrer wichtigsten Zeugen im Visa-Untersuchungsausschuss. Der damalige Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes hat zwei jener Erlasse redigiert und verantwortet, mit denen sich die Visapraxis im Jahr 1999/2000 so änderte, dass die Einreisedokumente zigtausender von Touristen eher vage geprüft wurden. Für die Sicherheitsbehörden steht fest, dass sich kriminelle Banden der rot-grünen Visavergabe bemächtigten und so Frauen und Männer zur illegalen Beschäftigung nach Deutschland einschleusten.

Aber Westdickenberg kann (und mag) sich offensichtlich nicht erinnern. Nicht an die Erlasse als solche, schon gar nicht an Details. „Ich bin nicht in der Lage“, sagt der 61-jährige Diplomat, „aus der Erinnerung die Veränderungen [des Erlasses; d. Red.] zu benennen.“

Eckardt von Klaeden, ein junger Abgeordneter, der bislang als schärfste Waffe der Union galt, wirft Westdickenberg ein „erstaunliches Maß an Gedächtnisschwund“ vor. Aber von Klaeden tut das nicht nur vor der Tür für die TV-Kameras. Im Verein mit dem an sich unparteiischen Vorsitzenden Uhl kabbelt er sich mit dem diplomatischen Zeugen selbst im Ausschuss. „Das kann’s ja wohl nicht gewesen sein“, kommentiert etwa Uhl eine Erinnerungslücke. Eine Strategie, die dem Zeugen wie Teilen des Publikums unangenehm ist.

„Wir sind gehalten, Zeugen nicht bloßzustellen“, stellt sich der Zweite Vorsitzende des Ausschusses, Volker Neumann (SPD), schützend vor den Botschafter. „Das ist nicht nur eine Vorschrift der Strafprozessordnung, sondern auch eine simple Anstandsregel.“ Neumann besteht auf einem Protokolleintrag und bittet um eine kurze Beratungssitzung. Aber er erntet wüste Beschimpfungen des wichtigsten Unionsmannes. „Das ist eine Riesensauerei“, poltert von Klaeden. Rot-Grün versuche durch taktische Verzögerungen, die Zeugenvernahme so zu manipulieren, „dass die Presse nicht mehr schreiben kann“.

Von Klaeden bezieht das auf einen weiteren Kronzeugen, den Moskauer Botschafter Ernst-Jörg von Studnitz. Der Pensionär Studnitz freilich, der im Jahr 2000 scharf gegen die rot-grüne Visapolitik protestierte, wird zum Zeugen der Verteidigung. Studnitz sagt aus, der Volmer-Erlass sei nicht rechtswidrig gewesen, er sei in seiner Botschaft zunächst sogar als Erleichterung verstanden worden. Bei Studnitz schnurrt die Visa-Affäre darauf zusammen, dass Außenminister Joschka Fischer nicht genug Personal für die Visaabteilungen zur Verfügung stellte – ein Problem allerdings, dass es bereits seit 1991, seit „dem Fall des Eisernen Vorhangs“ (Studnitz), gab.

Und auch für seine überaus kritischen Berichte aus jener Zeit hat der 68-jährige Exbotschafter eine plausible Erklärung. „Wissen Sie, nur ein Bericht, der vom Botschafter kommt, wird in Berlin wirklich gelesen.“

Heute ab 9 Uhr auf Phoenix: Visa-Untersuchungsausschuss