Unschärfen schärfen

Wegen CDU-Affären: Hamburgs Volksvertreter sollen moralisch einwandfrei werden. Abgeordnetengesetz wird zügig präzisiert

Dringender Handlungsbedarf, um Schlupflöcher zu schließen

Von Sven-Michael Veit

Lücken und Unschärfen im Hamburger Abgeordnetengesetz sollen schnellstmöglich beseitigt werden. Darauf haben sich gestern Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) und die FraktionschefInnen Bernd Reinert (CDU), Michael Neumann (SPD) und Christa Goetsch (GAL) geeinigt. Die jüngsten Affären und Skandale in der Unionsfraktion hätten gezeigt, so die vier in einer gemeinsamen Erklärung, dass „nicht alles, was gesetzlich zulässig ist, auch moralisch einwandfrei“ sei. Deshalb müsse nachgebessert werden.

„Wir wollen fix arbeiten und wasserdichte Regelungen finden“, versicherte Reinert im Gespräch mit der taz. Es dürfe aber „nicht diskriminiert werden“, zudem müssten das Arbeitsrecht und das Recht auf freie Berufsausübung beachtet werden. Deshalb solle gesetzlich normiert werden, was möglich ist, für „die Grauzonen“ könnte ein zusätzlicher „Verhaltenskodex“ geschaffen werden. Klar ist demnach das Ziel aller Fraktionen, dass Abgeordnete nicht ihre Lebensgefährten als Mitarbeiter beschäftigen dürften, wie das der CDU-Abgeordnete Jörn Frommann tat. Das geltende Gesetz schließt nur „Ehepartner“ ausdrücklich aus – wenig zeitgemäß, so die nun einhellige Meinung.

Auf den Prüfstand kommen auch mittelbare Arbeitsverhältnisse und Geschäftsbeziehungen wie die im gemeinsamen Büro der Wandsbeker CDU-Abgeordneten Bruno Claußen, Natalie Hochheim und Ralf Niedmers: Vermieter ist Niedmers Vater, Hochheims Mutter ist Mitarbeiterin Claußens. Solche „Über-Kreuz-Beziehungen haben ein Geschmäckle“, meint Neumann, legal nach den Buchstaben des Gesetzes sind sie gleichwohl.

Ein Fall für den Verhaltenskodex könnte nach Ansicht Reinerts das Ehepaar Anja und Jan Quast sein. Sie ist Mitarbeiterin der SPD-Abgeordneten Barbara Brüning, er sitzt in der Bürgerschaft. Nur hatte sie diesen Job bereits vor der Heirat und lange bevor er 2001 ins Parlament einzog. Von Frau Quast die Aufgabe ihres Arbeitsplatzes zu verlangen oder Herrn Quast das Volksvertreten zu verbieten, ist rechtlich nicht möglich – und auch moralisch kaum zu begründen.

Alle drei Fraktionen wollen nun „eine Bestandsaufnahme“ vornehmen und Vorschläge machen, „wie Schlupflöcher zu schließen“ seien. Bereits am nächsten Freitag wollen sie sich erneut treffen. Ein gemeinsamer Vorschlag zur Neufassung des Abgeordnetengesetzes soll von „externen und unabhängigen Experten“ begutachtet werden, vermutlich auf einer öffentlichen Anhörung vor dem Verfassungsausschuss der Bürgerschaft. Nach der Sommerpause, so Reinerts Hoffnung, könnte dann das Parlament das Gesetz, das auch Sanktionen für Verstöße vorsehen soll, verabschieden.

„Sehr erfreut“ zeigten sich gestern die Rot-Grünen Neumann und Goetsch über diese Ergebnisse. Auch der CDU sei „endlich der dringende Handlungsbedarf“ klar gewesen. Bislang hatte Reinert einen Ehrenkodex für sinnvoller gehalten als eine Gesetzesverschärfung, jetzt wird es wohl beides geben.

Bewegung kommt derweil auch noch in eine weitere Affäre der Christdemokraten. Die Bürgerschaftskanzlei stellt SPD und GAL die internen Aktenvermerke im Fall Volker Okun zur Verfügung. Okun hatte vorige Woche sein Mandat aufgegeben mit der Begründung, er ziehe nach Niedersachsen. Inzwischen aber wurde bekannt, dass seine Familie bereits seit 20 Jahren in Brackel (Kreis Harburg) wohnt und Okuns Hamburger Anschrift eine Tarnadresse sein könnte. In der CDU-Fraktion soll das ein offenes Geheimnis gewesen sein, gestört hat es aber offenbar niemanden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb gegen Okun wegen des Verdachts der Mandatserschleichung.

Bereits 1996 hatte die Parlamentskanzlei nach entsprechenden Hinweisen überprüft, ob Okun seinen Wohnsitz wirklich in Hamburg hat – ohne Ergebnis. Dies will die Opposition jetzt erneut tun. Nicht ohne Hintergedanken: Denn damals war einer CDU-Fraktionschef, der sich jetzt aus allen Affären sorgsam herauszuhalten versucht: Bürgermeister Ole von Beust.