Angst um die Söhne

SPD-Fraktion warnt: Erste Abschiebewelle droht „voll integrierte“ Afghanen zu treffen und Familien zu zerreißen

Die SPD-Opposition fordert Innensenator Udo Nagel (parteilos) auf, die Gruppe von männlichen Afghanen genau zu definieren, die ab Mai aus Hamburg abgeschoben werden soll. Mit seiner Ankündigung „wirft der Senator afghanische Familien in riesige Unsicherheit“, rügte die SPD-Abgeordnete Aydan Özoguz gestern. Viele fürchteten, dass ihnen die Söhne „entrissen“ würden.

Während eines Besuchs in Kabul, von dem er gestern zurückgekehrt ist, hatte Nagel bekräftigt, nach Ende des Abschiebestopps am 30. April werde Hamburg mit „Rückführungen“ beginnen. Zunächst würden Afghanen aus der Gruppe der rund 500 alleinstehenden Männer zwischen 18 und 60 Jahren abgeschoben. „Nagel muss ganz genau sagen, was ,alleinstehend‘ bedeutet“, mahnte Özoguz. Etwa, ob dazu jene jungen Afghanen zählten, die mehrere Jahre hier leben oder in Hamburg aufgewachsen sind. „Die meisten dieser jungen Männer sind voll integriert und in der Schule sehr gut“, so die SPD-Politikerin. Sie „rauszuschmeißen“ und zugleich Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, wäre „irrsinnig und kontraproduktiv“. Özoguz forderte Nagel auf, sich auf der Innenministerkonferenz für ein Bleiberecht für „lange“ hier lebende Afghanen einzusetzen.

Nagels Sprecher Marco Haase wollte sich nicht festlegen und sagte nur: „Wir werden jeden Einzelfall in den nächsten Wochen prüfen.“ Insgesamt hätten rund 5.000 der 15.000 Hamburger Afghanen keine Aussicht auf ein Bleiberecht und müssten ausreisen. „Unter ihnen sind Frauen und Kinder“, so Haase. Die aber dürften nicht abgeschoben werden, warnte Özoguz, bevor in Afghanistan nicht „ein Mindestmaß an Freiheit für Frauen durchgesetzt und die Grundstruktur der Taliban zerstört ist“. Nach dem Sturz des radikal-islamischen Regimes 2002 beherrschen noch immer seine Milizen Teile des Landes. EVA WEIKERT