Jukebox

Chansons zum Weinen

Stets wirkte die französische Chansonsängerin Barbara geheimnisvoll, ein bisschen traurig und unnahbar. Das lag vielleicht an ihrer Lieblingsfarbe schwarz, in die sie sich von Kopf bis Fuss hüllte. Sie selbst behauptete von sich aber, ein optimistischer Mensch zu sein und das Leben zu lieben – so sehr, dass sie Angst habe, es zu verlieren. So ist es nicht erstaunlich, dass ihre Lieder oft von Abschied und Vergangenheit erzählen. Eines ihrer schönsten Stücke, das auch ihr erster kommerzieller Erfolg war, ist „L’aigle noir“, auf dem gleichnamigen Album. Von nur wenigen Instrumenten wird Barbara begleitet: Klavier, Schlagzeug und Gitarre. Ihre Stimme, oft am Kippen, oft nahe daran, Glas zum Springen zu bringen, singt von einem Tagtraum, den sie in der Nähe eines Flusses hat: Ein schwarzer Vogel mit rubinroten Augen und einem blauen Diamanten auf dem Kopf berührt mit seinem Schnabel ihre Wange und lässt seinen Hals in ihre Hand gleiten … In jedem Ton und jedem Atemholen Barbaras liegt so viel kindliche Ehrlichkeit und Authentizität, dass man ihr beim Hören nur zu gern in dieses naive Wunderland folgt. Dass Barbara in ihrer Kindheit keineswegs in einem solchen gewohnt hat, kann man sich leicht vorstellen: 1930 geboren, musste sie als Halbjüdin im besetzten Frankreich mit ihrer Familie ständig die Verstecke wechseln und wurde noch dazu vom Vater sexuell missbraucht, der die Familie verlässt, als Barbara 19 ist. Erst zehn Jahre später sieht sie ihn wieder: an seinem Sterbebett. 1963/64 gelang ihr dafür der Durchbruch zur „grande dame de la chanson“, und mit ihrem Lied „Göttingen“ trug sie viel zur Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland in der Nachkriegszeit bei. Vielleicht enden wegen ihrer schwierigen Kindheit und Jugend trotzdem so viele ihrer Lieder unglücklich: Wie in dem Lied „Amoureuse“, wo am Ende einer Liebesbeziehung der Himmel wieder grau wird. Barbara starb 1997 in Paris. ANDREA EDLINGER