Fleisch starren

Nicht mal überm Klo hingen sie: Im Sage Club unterhielten sich beim „Model Business Meeting“ Frauen über ihre Frisuren und Hosen und zogen dabei die Magenknochen ein

Am Eingang fängt’s schon an. Ich soll ein „Presse“-Schild umhängen, will aber viel lieber eins mit „Model“ drauf, so wie die anderen. Der Kassenmann bleibt hart. „Du bist kein Model“, sagt er. „Ich schreib auch ‚Ex-‘ davor“, bettel ich, „oder ‚Übergrößen-‘, oder ‚Körperteil-‘.“ Nichts zu machen.

Das „Agentur“-Schild wird mir ebenfalls verwehrt, darum werde ich beim „Model Business Meeting“ im Sage Club auch nicht angesprochen, so wie die beiden Älteren mit den „Agentur“-Schildern, die neben mir am Stehtisch ihr Asia-Food essen. Entschuldigung, sagt eine Blonde mit drei Zentimeter dicken Wimpern, von welcher Agentur sind Sie? Musik, sagt der ältere Mann. Hmmmm?, macht die Blonde, und der Mann sagt; Nichts für dich, oder singst du auch? Ähm, überlegt die Blonde, also, nein, eigentlich nicht, ich mach Hostessen-Jobs. Ihr Begleiter trägt einen Helm aus Pfauenfedern, damit man ihn besser bemerken kann, bunte Kontaktlinsen, damit man ihn besser sehen kann, und die dümmste Fresse des Abends, damit man ihn besser einschätzen kann. Er raunt seiner Freundin „das sind keine Promis!“ zu, und die beiden tänzeln Richtung „Live Styling“.

Ich lehne mich neben eine Dreiergruppe reizender schwarzer Mini-Mädchen, die alle zwei Minuten von Fotografen oder schmierigen Glatzköpfen angesprochen werden, und stelle meine Ohren in ihre Richtung. Die mit den glatten Haaren redet über Haarpackungen, sie fahre immer nach Hamburg, um die Packung ihres Vertrauens zu kaufen, sie sagt das mit einem so grimmigen Gesichtsausdruck, als wolle sie morgen die Regierung stürzen.

Die mit dem krausen Bob fängt an, über ihre Hose zu jammern, die zu weit ist, obwohl sie sie erst zweimal anhatte. Ich kann schon nicht mehr und gehe auf die Toilette, um nachzuschauen, ob die Models dort auch brav über den Brillen hängen, wie das Klischee es vorschreibt. Aber es ist leer im Damenklo, vielleicht, weil gleich einer der Acts beginnt: Charlotte de Haas singt mit Band, das ist belanglos und schön.

Zurück in der Lounge reden die Modelfans weiterhin in ihre Handys und starren das Fleisch an, und die Frauen schlendern herum und knüpfen Kontakte. Ich habe nichts gegen Models, das soll ja so anstrengend sein, immer dieses abweisende Gesicht aufsetzen und die Magenknochen einziehen, dagegen ist das Bäckerhandwerk nichts. Aber Leute, die unbedingt Model sein wollen, die haben nichts anderes verdient als solche Veranstaltungen. Punktum. JENNI ZYLKA