Ohannes Demirci
: „Es hat sich etwas geändert“

„Ich nenne mich Can. Nicht weil ich Angst habe und mir deshalb einen türkischen Namen gebe – so haben mich meine christlich-arabischen Nachbarkinder in meinem Dorf in Anatolien genannt.

Ich finde, die gestrige Debatte im Bundestag, die die CDU beantragt hatte, ist bloß Propaganda dieser Partei. Es geht nicht darum, uns Armenier zu schützen. 1972 hat die ARD eine Dokumentation zum Massaker an den Armeniern ausgestrahlt. Warum haben die Politiker mit der Diskussion darüber bis heute gewartet, obwohl das schon damals nachgewiesen war? Otto Schily sagt es offen: Er sagt, man dürfe seine Freunde nicht ärgern. Niemand will das Wort „Völkermord“ in den Mund nehmen, obwohl sie alle die Wahrheit kennen.

Es ist nicht wichtig, wer damals wen umgebracht hat. Auch die Zahl der Toten spielt keine Rolle. Wichtig ist, wer welche Absicht hatte, welche Mentalität hatte. Sie wollten eine ethnische Säuberung.

Hier kennen mich alle Türken. Sie nennen mich „Can der Armenier“. 1986 hatte ich einen Laden am Kottbusser Damm. Eines Tages wurde ich zum Staatsschutz einbestellt. Sie sagten mir, dass am nächsten Tag Türken eine Demonstration gegen die Armenier machen und vor meinem Laden laufen würden. Ich solle meinen Laden schließen, weil sie sonst alles kaputt schlagen würden. Da fragte ich: „Und warum gibt es euch? Ich lebe in Deutschland. Wenn ich auch in Deutschland Angst haben muss, wozu lebe ich dann hier?“

Ich habe mein Laden geöffnet, und sie sind an meiner Tür vorbei gelaufen. Dazwischen standen zwanzig Mannschaftswagen. Derjenige, der die Demonstration organisiert hatte, war mein Nachbar.

Wir wollen gar nicht wie die Kurden sein. Wir haben keinen Anspruch auf Land. Es gab früher solche Leute. Aber das ist schon lange her. Was wir wollen, ist, dass sie die Armenier, die noch in der Türkei leben, in Ruhe lassen. Ich habe hier schon meine Ruhe.

Früher konnte ich nicht in die Türkei einreisen. Dann hat das Konsulat mich vor zwei Jahren angerufen und mir wieder einen türkischen Pass gegeben. Es hat sich doch etwas geändert in der Türkei.“

Ohannes Demirci (55) ist Chemiker und lebt seit 1968 in Berlin