ERMITTLER WOLLEN IN DEN KONZERN-COMPUTERN SCHNÜFFELN
: Der Datenschutz hat langsame Freunde

Es dauerte eine Weile, bis der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar Schützenhilfe bekam. Erst zwei Tage nach der rüden Kritik von Bundesinnenminister Otto Schily an Schaars Jahresbericht meldeten sich gestern prominente Politiker zu Wort. Allerdings lag das keineswegs daran, dass irgendjemand Schilys Vorwurf der Kompetenzüberschreitung plausibel fände. Als Schaar am Dienstag – im Ton eher sachte – eine Überprüfung der Antiterrorgesetze forderte, tat er schließlich nur seine Pflicht. Eher schon ist das lange Schweigen Ausdruck einer allgemeinen Ermattung: Niemand verspürt noch eine rechte Lust, über Schilys immer gleiche Unterstellungen die immer gleiche Empörung auszugießen.

Dabei sollte man sich eigentlich darüber freuen, dass über das fast schon vergessene Thema Datenschutz endlich wieder diskutiert wird. Auch Schilys Empörung lässt sich nur vor dem Hintergrund verstehen, dass er das Thema offenbar schon für erledigt hielt. Dazu mag auch das betont zurückhaltende Auftreten des Datenschutzbeauftragten beitragen. Bei seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren hatte Schaar klar gemacht, dass heute nicht mehr die Überwachung durch den Staat, sondern die Sammelwut der Privatwirtschaft die größte Gefahr für die informationelle Selbstbestimmung darstellt.

Doch in den vergangenen Jahren hat Schily gemeinsam mit seinen Kollegen in Europa wie in den Bundesländern alle Energien darangesetzt, sich Zugriff auf die Datenbanken der Konzerne zu verschaffen. Damit wird die Sache wirklich gefährlich. Die Wirtschaft kann den Bürger vielleicht mit Spam-Mails bedrohen; der Staat dagegen kann ihn mit jahrelangen Ermittlungsverfahren überziehen, nur weil er mal die falsche Telefonnummer angerufen oder am falschen Ort eingekauft hat. Der Innenminister ist also selbst schuld, dass der scheinbar so leise Datenschutzbeauftragte für seine Verhältnisse plötzlich so laut geworden ist. Und Schilys Kritik fällt deshalb so laut aus, weil er sich offenbar über sich selbst ärgert – darüber, dass er sich in Schaar so getäuscht hat. RALPH BOLLMANN