Togos Wahlkampf wird tatsächlich zum Kampf

Gewalt regiert in Togo vor der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag. Mit massiven Übergriffen schüchtert das Regierungslager um Diktatorensohn Faure Gnassingbé das Wahlvolk ein. Aber die Opposition glaubt an den Sieg

LOMÉ taz ■ Schon am Grenzübergang nach Togo wird alles klar. Das kleine westafrikanische Land steht in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs. Aber es herrscht der Eindruck, dass es nur einen Kandidaten gibt: Faure Gnassingbé, Sprössling des im Februar verstorbenen Diktators Gnassingbé Eyadema. Schon das Grenzgebäude ist zugeklebt mit Wahlkampfpostern, auf denen zu lesen ist: „Von Nord bis Süd – Faure“; „Heute Faure, morgen stark“; „Der Wille zu dienen“; „Das Symbol der Jugend ist Faure“. Alle hängen übergroß, in makellosem Farbdruck an Plakatwänden, wo zuvor noch französische Autos beworben wurden. Dagegen findet sich nicht ein einziges Poster eines der drei Oppositionskandidaten. Nicht einmal des wichtigsten, Emmanuel Bob Akitani, der für ein Sechsparteienbündnis antritt.

Auch auf dem Weg in die Hauptstadt Lomé begleitet einen das Antlitz Faure Gnassingbés. Als sein Vater am 5. Februar starb, setzte das Militär den Sohn zunächst als Nachfolger ein, um eine Wahl umgehen zu können. Internationaler Druck erreichte ein Zurückrudern: Der Sohn gab das Präsidentenamt nach wenigen Wochen zurück und akzeptierte Wahlen. Die allmächtige Regierungspartei RPT (Sammlung des togoischen Volkes) hob Faure sogleich ohne Kandidatenauswahl auf den Schild.

Gelb, Farbe des Wandels

Die staatliche Tageszeitung Togo Presse, die nur die Hälfte des Preises anderer Zeitungen kostet, hat ein Spezial zur Präsidentschaftswahl zusammengestellt. Sechs Seiten Faure Gnassingbé. Kein Foto oder ausgewogener Artikel über die Opposition. Der staatliche Fernsehkanal, der als einziger die entlegenen Landesteile erreicht, zensiert die Bilder über die Opposition. Dagegen ist Faure Gnassingbé überall. Verkehrte Welt in Togo: Der Regierungskandidat, der noch immer das Präsidentenflugzeug und ein Präsidentenauto benutzt, gehört zur jungen Generation; Oppositionskandidat Bob Akitani ist über 70.

Die Opposition muss man suchen. Zum Beispiel im Stadtviertel Bé. Leute drängeln sich vor der Parteizentrale der UFC (Union der Kräfte für den Wandel), der stärksten Oppositionspartei und Kern des Sechserbündnisses um Bob Akitani. Die meisten tragen gelbe T-Shirts oder Kopftücher – die Farbe des Wandels. Dazu kommen noch ein paar Palmenblätter: dann ist die Oppositionstracht in Togo vollständig.

Der Wahlkampf ist tatsächlich zum Kampf geworden. Trägt einer ein gelbes T-Shirt und findet sich umringt von Anhängern des alten Regimes, muss er um sein Leben fürchten. „In die Viertel der RPT können wir nicht gehen“, sagt Aradi, Verkäufer und selbst Träger des gelben T-Shirts, der vor dem UFC-Haus seine Ware feilbietet. „Aber jetzt sind wir zur Revanche übergegangen.“ Letztes Wochenende gab es Straßenschlachten in Lomé mit sechs Toten in den Reihen der RPT.

Aber von Waffengleichheit kann nicht die Rede sein. Die Opposition beklagt, dass RPT-Anhänger tatkräftig von Soldaten und Sicherheitskräften unterstützt werden. Im Hof des UFC-Parteihauses sind die Menschen aufgeregt. „Ein Toter mit gelbem T-Shirt ist aus der Lagune gezogen worden, an Händen und Füßen gefesselt“, erzählt einer; „in einem Vorort wurde eine Wahlkampftour von RPT-Anhängern angegriffen“, ein anderer.

Prügel, Vergewaltigung

Ein Raum in dem Parteihaus ist zur Notfallpraxis umgerüstet. „Täglich kommen hier bis zu 50 Verletzte an“, sagt die Krankenschwester. „Sie trauen sich nicht in die staatlichen Krankenhäuser.“ Eine alte Frau berichtet, dass ihr ein Polizist eine mit Nägeln bestückte Latte auf den Rücken schlug, nur weil sie das gelbe T-Shirt trug. Die Schwester desinfiziert die aufgerissene Haut. Ein junges Mädchen sitzt auf der Bank und erzählt, dass sie von Männern vergewaltigt wurde, weil keine Faure-Poster an ihrer Hauswand hingen. Die Frau bekommt ein paar Medikamente und Geld für einen HIV-Test.

Ein junger Mann, Mitglied einer der kleineren Parteien des Oppositionsbündnisses, sagt, er sei soeben aus dem Gefängnis entlassen worden. Er sah über eine Woche keinen Anwalt, keinen Richter, aber bekam Schläge von den Gendarmen. Sein Vergehen: Er hatte an einer Oppositionsveranstaltung teilgenommen.

„Die RPT hat nie durch eine Wahl ihre Herrschaft legitimieren können und nur mit Manipulation und Gewalt die Macht erhalten“, sagt Koffi Daniel Agano, Präsident des UFC-Jugendverbandes, der mehrere Jahre im Gefängnis verbracht hat. „Aber seit klar ist, dass wir trotz der unfairen Bedingungen die Wahl gewinnen, spielt das Regime verrückt. Das Regime hatte darauf gehofft, dass wir die Wahl boykottieren. Dieses Mal aber gehen wir bis zum Ende.“ Wie auch immer dieses Ende aussieht. Eine Zeitung warnt in Anspielung auf den Namen von Faure Gnassingbé, Togo drohe eine „gnassionale“ Katastrophe. HAKEEM JIMO