Beziehungsprobleme bei der Deutschen Börse

Das gestörte Verhältnis zwischen dem Großaktionär und den Oberen der Deutschen Börse soll nun ein Gremium kitten

FRANKFURT/MAIN taz ■ Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründ ich einen Arbeitskreis. Und so setzte der Aufsichtsrat der Deutschen Börse AG am Mittwochabend erstmals einen Ausschuss ein. Dessen Mitglieder sollen sich um Gespräche „bemühen“ – zwischen dem Großaktionär The Children’s Investment Fund Management (TCI) mit Sitz in London auf der einen und Börsenchef Werner Seifert sowie Aufsichtsratsvorsitzendem Rolf Breuer auf der anderen Seite.

Zuletzt verkehrten die Kombattanten nur noch schriftlich miteinander. TCI-Chef Christopher Hohn fordert die Ablösung von Breuer, einst Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, aber auch von Seifert. Letzterer, so sagte Hohn, sei auf seinem Posten an der wichtigsten Börse des europäischen Kontinents eine „glatte Fehlbesetzung“. TCI hält 8 Prozent der Anteilsscheine der Deutschen Börse. Weitere knapp 30 Prozent der Aktionäre, so schätzen Analysten, würden auf der Hauptversammlung der Börse AG am 25. Mai den von TCI in Aussicht gestellten Abwahlantrag gegen Breuer unterstützen. Der will eigentlich erst 2006 aus dem Amt ausscheiden. Gerüchten auf dem Parkett zufolge wird TCI aber auch schon einen Nachfolger für ihn präsentieren. Der Kandidat soll „in der Finanzwelt über großes Ansehen verfügen“. Andere Aufsichtsratsmitglieder gehörten ebenso ausgewechselt, so Hohn. Der neue Aufsichtsrat werde sich dann mit der Zukunft von Seifert beschäftigen. Seifert warf Hohn (TCI) inzwischen in einem offenem Brief vor, dem Unternehmen zu schaden und keine „spezifische Strategie“ zur Führung der Börse AG zu haben.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Torpedierung der Übernahmeverhandlungen zwischen der Deutschen Börse und der London Stock Exchange (LSE) durch TCI erst vor Monatsfrist. Mit Hilfe anderer Fondsgesellschaften mit Aktienpaketen der Börse AG hatte TCI Seifert gezwungen, die Verhandlungen abzubrechen und die für die Übernahme vorgesehene Barreserve an die Aktionäre auszuschütten.

Das hatte Seifert in Rage gebracht. Gespräche zwischen den Kontrahenten wurden ohne Ergebnis abgebrochen. Jetzt soll der Ausschuss vermitteln. Ihm steht ausgerechnet der von TCI unter Beschuss genommene amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Breuer vor. TCI-Mann Hohn dürfte das kaum zum Einlenken bewegen. So glauben viele Börsianer, dass Breuer auf der Hauptversammlung im Mai stürzen könnte. Ein Broker gestern: „Das kann ganz spannend werden.“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT