Broker in Angst vor dem alten Gespenst

An den US-Börsen fallen die Kurse auf neue Tiefstände. Die Konjunktur lahmt, die Unternehmensgewinne enttäuschen, und die Inflationsrate ist Besorgnis erregend. Jetzt drohen weitere Zinserhöhungen. Und das belastet auch die Märkte in Deutschland

VON NICOLA LIEBERT

Die Kurse an den US-Börsen sind auf den tiefsten Stand des Jahres gefallen. Der Dow-Jones-Aktienindex endete am Mittwoch nur noch ganz knapp oberhalb von 10.000 Punkten. Und ein Ende der Talfahrt ist – kurzfristige Schnäppchenjagden einmal ausgenommen – nicht abzusehen.

Die US-Wirtschaft schwächelt. Vergangene Woche hatte IBM die Erwartungen der Anleger deutlich verfehlt. Am Dienstag hat General Motors mit Milliardenverlusten den Markt geschockt, und am Mittwoch folgte Ford mit einem Gewinneinbruch um annähernd 50 Prozent. Da halfen auch gute Ergebnisse von Intel oder eBay nicht.

Schlimmer noch aber ist die Angst vor der Inflation. Um 0,6 Prozent sind die Verbraucherpreise in den USA im März gestiegen. Das klingt harmlos, aber aufs Jahr gerechnet bedeutet das eine Inflationsrate von 4,3 Prozent im ersten Quartal.

Die Unternehmen spüren also einen höheren Kostendruck und geben diesen weiter an die Verbraucher, erklärt die US-Notenbank Fed in ihrem neuesten Konjunkturbericht „Beige Book“. Das ist schlecht, denn es bedeutet Inflation. Die Alternative wäre ebenso schlecht für Wirtschaft und Börse: Könnten die Unternehmen die Kosten nicht weiterreichen, weil die Konsumenten auf die Ausgabenbremse drücken, dann würden Gewinne und Investitionen sinken.

Nun fragen sich die Investoren bang, wie die Fed reagieren wird. Schon seit Juni vergangenen Jahres hatten die US-Notenbanker die Leitzinsen schrittchenweise angehoben auf inzwischen 3,75 Prozent. Höhere Zinsen aber schlagen sich negativ auf die Unternehmensgewinne nieder und auf die Aktienkurse.

Das Problem ist in erster Linie das Erdöl. Es treibt die Preise nicht nur auf breiter Front hoch, es dämpft zugleich auch die Wirtschaftsleistung. Die US-Konjunkturberichte der vergangenen Wochen waren allesamt ziemlich schlapp, seien es die Einzelhandelsumsätze, seien es die Arbeitsmarktzahlen.

Schon macht das gespenstische Wort Stagflation die Runde – eine Lage, in der hohe Inflation auf wirtschaftliche Stagnation und hohe Arbeitslosigkeit trifft. Unter Stagflation hatte die Welt zuletzt in den Siebzigerjahren gelitten, ebenfalls ausgelöst durch starke Ölpreissteigerungen.

Das Missliche an dieser Lage: Um die Inflation zu bekämpfen, müssten die Zinsen erhöht werden. Aber höhere Zinsen würden die Konjunktur vollends abwürgen. „Wir erleben ein langsameres Wachstum und höhere Inflation. Die Fed sitzt in einer Falle“, meint David Wyss, der Chefvolkswirt von Standard & Poor’s in New York. „Sie würde ja gerne die Zinsen niedrig halten, um die Wirtschaft am Wachsen zu halten, aber sie müssen auf der anderen Seite etwas gegen die Inflation tun.“

Die nun zu erwartende Zinsanhebung der Fed hat auch ihre Auswirkungen auf andere Aktienmärkte. Japan schloss schwächer, der deutsche DAX startete gestern auf Jahrestief.