Sportlich gegen freundlich

WAHLEN Seit dreißig Jahren sind Finnlands Präsidenten Sozialdemokraten. Jetzt wird damit Schluss sein

■ Der Termin: Am 5. Februar findet die Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten des ersten Wahlgangs der Präsidentenwahl statt. Damit beginnt nach 30 Jahren sozialdemokratischer Präsidenten eine neue Ära. 4,4 Millionen stimmberechtigte Finnen sind zur Abstimmung aufgerufen.

■ Der Favorit: Sauli Niinistö von der konservativen Nationalen Sammlungspartei hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit 37 Prozent der Stimmen gewonnen. Damit verpasste der Exfinanzminister die notwendige absolute Mehrheit.

■ Der Herausforderer: Pekka Haavisto ist Kandidat der Grünen und ehemaliger finnischer Umweltminister. Für ihn stimmten im ersten Wahldurchgang 18,8 Prozent der WählerInnen.

AUS HELSINKI HARRI KAITILA

Nach dreißig Jahren sozialdemokratischer Staatspräsidentschaft stehen viele Finnen jetzt vor der Wahl zwischen zwei Kandidaten, von denen keiner so ganz nach ihrem Geschmack ist – dem Grünen Pekka Haavisto und dem Konservativen Sauli Niinistö.

Umso mehr kommt es deshalb auf ihre Persönlichkeit an. Pekka Haavisto, 53, präsentiert sich als positiver, freundlicher und weltoffener Humanist mit viel Auslandserfahrung. Zuletzt war er acht Jahre als Sonderbevollmächtigter der EU im Sudan. Sauli Niinistö von der Nationalen Sammlungspartei wird eher als sachlicher, sportlicher, leicht EU-kritischer Wirtschaftsmann wahrgenommen. Der 63-jährige Jurist hat langjährige Erfahrung als Finanzminister und Parlamentsvorsitzender. Fünf Jahre lang war er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank.

Nachdem im ersten Wahlgang der EU-Kritiker Paavo Väyrynen von der Zentrumspartei dem Grünen Pekka Haavisto im Kampf um Platz zwei knapp unterlegen war, ist zu befürchten, dass in der zweiten Runde die Wahlbeteiligung vor allem in Ost- und Nordfinnland, den Hochburgen Väyrynens, deutlich nachlassen wird. Die Anhänger von Paavo Väyrynen werden sich wahrscheinlich nach dem Prinzip des kleineren Übels entscheiden und lieber den konservativen Sauli Niinistö als den Grünen-Kandidaten Pekka Haavisto wählen. Die Mehrzahl der sozialdemokratischen Wähler hingegen wird Haavisto unterstützen.

Für Sauli Niinistö ist es bestimmt kein Nachteil, mit einer wesentlich jüngeren und gut aussehenden Frau verheiratet zu sein. Vertritt er doch so das moderne Bild eines erfolgreichen Politikers. Dass sich Pekka Haavisto als Homosexueller geoutet hat und mit einem jungen Südamerikaner verheiratet ist, dürfte auch außerhalb Finnlands bekannt sein. Sollte aber die alte Floskel Sex sells in seinem Fall umgekehrt wirken, könnte ihm das zum Verhängnis werden. Auch wenn Haavisto sich der enthusiastischen Unterstützung junger, toleranter Citywähler der südfinnischen Städte sicher sein kann.

Zudem spielen im Süden die einwanderungskritischen EU-Gegner, die Wahren Finnen, eine wichtige Rolle. Für die rechtspopulistische Partei, die gerade bei der letzten Parlamentswahl im Frühjahr 2011 einen Riesenerfolg erzielte, blieb der Erfolg bei der Präsidentschaftswahl jedoch relativ bescheiden. Der volkstümliche Parteivorsitzende Timo Soini hat es nicht geschafft, in die zweite Runde zu kommen. Ein Wahrer Finne wird kaum den Grünen Pekka Haavisto unterstützen. Eher wählt er Sauli Niinistö – oder bleibt ganz zu Hause.

Die meisten Finnen sehen die Aufgaben des Staatspräsidenten vor allem in der Vermittlung und Bewahrung allgemeiner Werte, in der Führung der Außenpolitik und als Oberbefehlshaber der finnischen Armee. Der Zivildienstmann Pekka Haavisto hat hier bestimmt schlechtere Karten als Niinistö.

Der nächste finnische Staatspräsident ist ein Gentleman, der parteiübergreifend Respekt genießt

So oder so: Der Durchschnittsfinne ist traditionsbewusst. Die Liveübertragung des feierlichen Empfangs zum Unabhängigkeitstag am 6. Dezember aus dem Präsidentenpalast erzielt stets höchste Einschaltquoten – allerdings nicht nur aus Liebe zur Tradition, sondern auch aus purer Neugierde. Man will sehen, welche Pracht und Modetrends jene 1.000 Finninnen vorführen, die mit ihren Gatten die Ehre haben, vom Präsidentenpaar mit Handschlag persönlich begrüßt zu werden.

Es wird sich zeigen, wie viele Finninnen und Finnen bereit sind, das gewohnte Bild vom traditionellen Präsidentenpaar so radikal zu ändern, wie es mit der Wahl Pekka Haavistos unweigerlich geschehen würde. In Finnland erhielten die Frauen immerhin schon 1906 das Wahlrecht. Und auch heute ist das Land in vielerlei Hinsicht eines der modernsten der Welt. Sollte Pekka Haavisto tatsächlich neuer Staatspräsident werden, könnte Finnland auch hier Vorreiter sein.

Auf die an beide Kandidaten gerichtete Frage nach der Lebensphilosophie antwortet Haavisto mit einem Zitat von Bertolt Brecht: „Glück ist Hilfe.“ Sauli Niinistö hingegen antwortet weniger poetisch: „Sei einfach du selbst, denn andere sind schon besetzt!“ Ob nun letztlich der Favorit Niinistö oder der Herausforderer Haavisto die Wahl gewinnt: Der nächste finnische Staatspräsident ist auf jeden Fall ein Gentleman, der parteiübergreifend Respekt genießt.

Harri Kaitila ist Tenor, er lebt in Finnland und Berlin. Mehr unter www.harri-kaitila.com