„Auch Unternehmer fordern und fördern“

Die Grünen finden Münteferings kapitalkritischen Kurs im Prinzip gut – fürchten aber den Widerspruch zum Handeln

BERLIN taz ■ Die Grünen sind sich nicht ganz einig, was sie vom kapitalkritischen Schwenk der SPD, namentlich des SPD-Chefs Franz Müntefering, halten sollen.

Der grüne Sozialpolitiker im Bundestag, Markus Kurth, findet es „schade, dass die wichtige Debatte über die Macht der Konzerne bloß wahlkämpferisch und nicht seriös geführt wird“. So werde das Publikum bald feststellen, dass „bei der SPD Reden und Handeln auseinander klaffen.“ Auch seien undifferenzierte Angriffe auf „die Unternehmer“ problematisch. „Man darf nicht nur ‚Ackermann!‘ brüllen und dann johlen alle: ‚Jo, auf ihn!‘ “, sagte Kurth zur taz.

Die grüne Arbeitsmarktexpertin im Bundestag, Thea Dückert, bleibt dagegen ganz auf offizieller Koalitionslinie: Unterstützung des moralischen Appells. „Wir stehen am Anfang einer Wertedebatte auch für Unternehmer“, sagte sie zur taz: „Fordern und Fördern gilt auch für die.“ Allerdings dürfe sich niemand Illusionen darüber machen, was die Regierung bis zur Bundestagswahl 2006 tun könne: „Man kann vor den realen Machtverhältnissen nicht den Kopf in den Sand stecken.“

Die Union habe im Bundesrat die Mehrheit, und dort „geht sie nicht von der Bremse“. Die einzige konkrete Maßnahme, um die Arbeitgeber in eine „soziale Verantwortung“ zu zwingen, könnten demnach regional- und branchenspezifische Mindestlöhne werden. Für die nötige Ausweitung des Entsendegesetzes, sagte Dückert, müsse Rot-Grün „nicht durch den Bundesrat“.

Müntefering hatte vergangene Woche in einer Programmrede erklärt: „Unsere Kritik gilt der international wachsenden Macht des Kapitals.“ An anderer Stelle sagte er, bei vielen Unternehmern stimme „die Ethik“ nicht. Und: Finanzinvestoren „fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir.“

Auch bei den grünen Wahlkämpfern in Nordrhein-Westfalen ist das Echo darauf geteilt. Der Vizeministerpräsident Michael Vesper sagte zur taz, die Debatte sei „nützlich insofern, als dass die Sozialdemokraten besser spüren, wofür sie kämpfen“. Selbstredend denke „niemand an die Verstaatlichung der Konzerne“. Doch der Diskurs über „die Verantwortung der Unternehmer fürs Gemeinwesen“ sei nötig für einen „gesellschaftlichen Klimawechsel“.

Der Grünen-Landesparteichef Frithjof Schmidt dagegen erklärte der taz: „Wenn die im Bund jetzt mit den Mindestlöhnen nicht konkret werden, bekommen die ein Glaubwürdigkeitsproblem.“ Doch sei es für Grüne, die in NRW so oft vergeblich für mehr Umweltschutz gekämpft haben, „eine hochinteressante Bewegung der SPD, wenn die jetzt wieder für mehr Regulierungen, für Leitplanken eintritt“.

ULRIKE WINKELMANN