Musikalisch doch ein Idyll

Die Schweiz. Nun ja. Wird laut Wikipedia-Wissen „gemeinhin nicht als eine der großen Musiknationen betrachtet“. Trotz DJ BoBo. Mehr ist den Schweizern Arthur Honegger („Pacific 231“) mit präzise 20 Franken wert. Auf diesem Schein findet sich das Porträt des Komponisten, eines Schweizers, der in Frankreich gelebt hat. Irgendwie stellt sich die Schweiz eben selbst gern ein Bein, musikalisch, weil die wirklichen Schweizer Hervorbringungen wie das Alphorn, Jodeln und Schwizerdütsch in fremden Ohren doch immer den Hang zum Kabarett haben, selbst wenn sie ganz ernsthaft betrieben werden (wie das auch beim Schweizgenössisch-Festival ab heute im Radialsystem der Fall ist). Wahrscheinlich sogar in den Ohren der Schweizer selbst. Den Alltime-Hit von den Minstrels will dort niemand mehr hören, „Ja, Grüezi wohl, Frau Strirnimaa, säged Si, wie läbed Si, wie gaht’s däm Ihrem Maa …“

Aber: In Sachen Grand Prix Eurovision ist die Schweiz eine Großmacht. Zweimal gewann sie den Wettbewerb, gleich zur Premiere 1956 mit Lys Assia und 1988 mit Céline Dion, die jetzt allerdings nicht gerade Urschweizerin ist. Deutschland muss dagegen mit der einmaligen Nicole anstinken, und um in dieser unterhaltungsmusikalischen Wunde gleich weiter zu stochern: Woher kamen denn die Musiker, die das Geschäft hier nach dem Krieg wieder in Gang brachten? Sie kamen aus der Schweiz, mit dem Berner Hazy Osterwald („Kriminal-Tango“) und von der Schweiz aus mit Caterina Valente („Quando Quando“).

Etwas mehr zur Gegenwart hin hätte man die Rummelplatzmusik von Les Reines Prochaines („Die Magd sät den Weizen“), auch mit Pipilotti Rist. Und den frauengestählten Postpunk von Liliput („Blue is all in rush“), vormalige Kleenex, die John Peel außerordentlich schätzte. Natürlich die weltmännische Disco von Yello („Ouad el Habib“). Der polyglotte Pop von Stephan Eicher („Noise Boys“). In diesem Zusammenhang darf sein „Eisbär“ mit Grauzone nicht fehlen, der zweite Schweizer Alltime-Hit („Eisbär’n müssen nie weinen“). Der beste nur denkbare Artrock, heftig agitiert: aus der Schweiz mit Debile Menthol („Crash Que Peut“). Auch Jazz. Als Sturm & Drang mit Hans Koch, Martin Schütz, Marco Käppeli („GG-U-GG-U-RR-U-GG“). Und Punk. Aufrecht mit Rudolph Dietrich Mutterfreuden („I don’t wanna be …“), wo Thomas Wydler trommelte, später in Berliner Zusammenhängen Nick-Cave-&-The-Bad-Seeds-Schlagzeuger.

Mit den aus den Klammern herausgeklaubten Titeln hat man die Schweiz dann doch musikalisch hübsch zusammengefasst. Wenigstens eine beliebige Alphornnummer aber sollte, als Bonustrack, schon auch noch mit dazu. THOMAS MAUCH