Rockmusik, ganz ernsthaft: Myriad Creatures kennen den Strokes-Produzenten Gordon Raphael und Frank Popp kennt das Herz der Sixties

Man kann Rockmusik machen. Oder Rockmusik. Das ist bekanntlich ja nicht immer dasselbe. Denn die einen meinen es ernst, die anderen auch, aber anders. Die einen sind, in unserem heutigen Fallbeispiel, die Myriad Creatures. Der andere heißt Frank Popp.

Die Myriad Ceatures meinen es so ernst, dass sie vor gut zwei Jahren in ihren rappeligen Kleinbus stiegen und von London nach Berlin fuhren, um hier … ja, was eigentlich? Billig Bier zu trinken? Andere Engländer treffen? Oder etwa: Karriere machen? Eher nicht, dafür bleibt denn doch die britische Hauptstadt bis auf Weiteres der geeignetere Ort. Nein, die Myriad Creatures taten das, was alle in Berlin machen: Das Quartett blieb hängen. Und spielt seitdem an jeder verfügbaren Milchkanne.

Wer viel spielt in Berlin und noch mehr rumhängt, der trifft unweigerlich irgendwann mal auch Gordon Raphael. Der war mal der Produzent der Strokes, hängt seit ein paar Jahren nicht mehr in New York, sondern in Berlin rum, aber ist trotzdem heute noch immer vor allem der Produzent der Strokes. An diesem Status wird auch „The Right Way To Do Wrong“ voraussichtlich nichts ändern. Denn das von Raphael produzierte Debütalbum der Myriad Creatures dürfte kaum zum weltweiten Erfolg werden. Was allerdings mehr an der Ausgangslage Berlin liegt als an der Musik selbst: Denn die ist solide gespielt, bisweilen gar mitreißend. Es gibt schwermütige Balladen, ein paar kräftige Rocker und mit „Sleeping Dogs“ sogar einen leichtfüßigen Popsong mit Hitpotenzial. Grundsätzlich aber fehlt den Myriad Creatures der ganz eigene Zugang, das Alleinstellungsmerkmal, das die Band aus der Rockmusikerkonkurrenz herausheben soll. Vielleicht nehmen sie die Rockmusik ja auch einfach zu ernst.

Frank Popp meint es auch ernst. Irgendwie sogar noch viel ernster. Und dann auch wieder nicht. Vor allem mit der Rockmusik der Sechzigerjahre. Das hat er demonstriert mit seinem Frank Popp Ensemble, damals noch in Düsseldorf, und dessen „Hip Teens Don’t Wear Blue Jeans“. So liebevoll wurden da die seligen Sixties kopiert, dass einem ganz warm ums Herz wurde. So wie auch dem weltweit operierenden Hersteller einer sehr braunen und sehr süßen Limonade, der den Song für einen Werbespot verwendete.

Mit „Receiver“, ohne sein Ensemble, wenn auch mit einigen Musikern aus diesem, legt Popp nun eine ähnlich ehrerbietige Huldigung an die Sechziger vor. Popp arbeitet seit 13 Jahren regelmäßig als DJ und hat die Vorlagen ausgiebig studiert. Diesmal widmet er sich mit großer Detailtreue den Ideen des Jahrzehnts, die angeblich in Garagen entwickelt wurden. Dazu häuft er fröhlich Klischees an: Songs heißen „Dead End Street“ oder „Burn The Bridges“, die Gitarren wabern verzerrt, das Schlagzeug setzt zackige Breaks und die Melodien tun so, als sei immer entweder gerade Sommeranfang oder Morgengrauen nach einer durchzechten Nacht. Auch hier fehlt das Alleinstellungsmerkmal, allerdings aus Überzeugung. „Receiver“ ist eine Reminiszenz. Eine zum Glück sehr ernst gemeinte. THOMAS WINKLER

■ Myriad Creatures: „The Right Way To Do Wrong“ (No Limits/Intergroove), live am 5.8. Schokoladen

■ Frank Popp: „Receiver“ (TV Eye/Indigo)