Aufstand der Kultur gegen die Politik

Protestversammlung in der Schwankhalle gegen den Kultursenator. Der hatte dem Intendanten des Kulturhauptstadtbüros, Martin Heller, erklärt es gebe kein Geld mehr zur Fortsetzung seiner Arbeit mit dem Projekt ,,Stadtbiennale“

Bremen taz ■ Ein „erbärmliches Bild“ würden die mit Kultur befassten politischen Entscheidungsträger in diesen Tagen abgeben, donnerte Theater-Intendant Klaus Pierwoß gestern in der Schwankhalle. Nach der Absage des Kultursenators an die von dem Kulturhauptstadt-Büro erarbeitete Konzeption einer „Stadtbiennale“ hatten verschiedene Künstlerinitiativen kurzfristig zu einer Versammlung eingeladen – an die 100 Kulturarbeiter waren gekommen, in der ersten Reihe saß die Adressatin der Kritik, Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) inmitten der kulturpolitischen Sprecher der Koalition.

„Wie eine heiße Kartoffel“ habe der Kultursenator den Intendanten der Kulturhauptstadt-Bewerbung, Martin Heller, fallen gelassen, denn ohne Geld, so Pierwoß, könne Heller nichts bewegen. Kultursenator Peter Gloystein hatte nach der informellen Beratung der Senatoren am Dienstag Heller angerufen und ihm erklärt, für eine Fortsetzung seiner Arbeit mit einer „Stadtbiennale“ gebe es kein Geld mehr.

Hellers Konzept sollte in zwei Wochen abgegeben werden, seit Wochen wird im Auftrag des Kultursenators ein „Kulturentwicklungsplan 2006 bis 2011“ erarbeitet – alles Makulatur angesichts der Finanzentscheidungen? „Ungeheuerlich“ sei der Vorgang, „deprimierend“, was die Verlässlichkeit der Kulturpolitik angehe, meinte Pierwoß: „Ich befürchte, dass das ganze Chaos der Kulturpolitik jetzt wieder zu sich selber kommt.“ Lang anhaltender Beifall zeigte, dass Pierwoß der versammelten Kulturszene aus der Seele sprach – auch was den harschen Tonfall angeht. „Wenn Sie ein bisschen Mumm in sich haben, dann entschuldigen Sie sich öffentlich dafür“, ging er die Politiker der Koalition an.

Die Staatsrätin Elisabeth Motschmann rechtfertigte die Sachzwänge der Entscheidung: Es sei darum gegangen, „in den Verhandlungen um den grundständigen Kulturhaushalt das Optimum herauszuholen“, erklärte sie. Angefangen hätten die Verhandlungen mit einer Sparauflage von 9 Millionen Euro, im Kulturetat müsse man nun aber nur circa drei bis vier Millionen in den Jahren 2006 und 2007 (etwa fünf Prozent) sparen. Sie wünsche sich auch, dass darüber hinaus ein „Anschlussprojekt“ an die Kulturhauptstadt-Bewerbung finanziert werden könne. Ob dafür Geld da sei, würden die nächsten Tage zeigen.

Gerold Wever von der „Stadt der Wissenschaft“, Carsten Werner vom Jungen Theater, Karin Krusche von den Grünen – alle Redner auf dieser Versammlung lobten die Rolle des Kulturhauptstadt-Büros und Martin Heller in den höchsten Tönen. Auch der kulturpolitische Sprecher der CDU, der Unternehmer Wolfgang Schrörs, stimmte da ein.

Es sei eine „Aufbruchstimmung“ in der Bremer Kultur entstanden, „die wir lange nicht gehabt haben in der Stadt“. Er deutete an, dass er anderer Ansicht sei als der Senator Gloystein – es müsse möglich sein, Heller weiter „an diese Stadt zu binden, möglicherweise mit einem kleineren Projekt“, sagte er. Es gebe nicht einmal einen Senatsbeschluss gegen die „Stadtbiennale“, der Haushalt würde derweil vom Parlament beschlossen.

Auf dem Verhandlungstisch sind auch noch die 20 Millionen Euro, die für einen Kunsthallen-Anbau eingeplant waren. „Warten Sie es mal ab“, versuchte er die aufgebrachten Kulturschaffenden zu besänftigen. Abwarten? Den Vertrauensbruch, den der Umgang mit Heller bedeute, den müsse er auch auf sich beziehen, „auf uns alle“, konterte Carsten Werner. Klaus Wolschner