berliner szenen Vormittagswandel

Der Briefkastenklassiker

Der Morgen war der Klassiker. Was heißt hier Morgen – es war ja schon zehn gewesen, als es geklingelt hatte und man aus dem Bett zum Telefon geschwankt, getorkelt beziehungsweise gevormittagwandelt war. Die eigene Stimme hatte noch im Bett gelegen und seltsam geklungen, als sie was sagte. Der Freund hatte erst gesagt, „du klingst ein bisschen komisch“, worauf man erklärt hatte, dass man die Nacht zuvor auf einem Geburtstag gewesen war. Das heißt: Eigentlich waren es zwei Geburtstage auf einmal gewesen, die wir bei Alex im Kap Arcona gefeiert hatten.

Wir hatten noch einmal über den Tresor geredet. Dass etwas am schönsten scheint in dem Moment, wo es verschwindet, ist ein Allgemeinplatz. Tendenziell hatten wir es aber unschön gefunden, dass in den berühmten Räumen am Montagabend noch so ein Empfang für die neuen Bauherren mit Limousinen und roten Teppichen, wie es im Internet hieß, stattgefunden haben soll. Aus Verbundenheit mit den Achtzigerjahren hatte ich plötzlich Havannna-Club-Limejuice getrunken. Dann hatte K. plötzlich ein Döschen rausgeholt und Pulver verteilt. Von weitem hörte ich B. noch sagen, dass es das Pulver auch in Weiß gibt. Dann heißt es „Gletschereis“. Schnupftabak, die neue krasse Partydroge. B. finanziert sich dadurch, dass er das immer auf dem Oktoberfest vertickt. Jüngeren sagt er dann, dies sei „legal cocaine“.

Irgendwie war ich dann wohl doch wieder nach Hause gekommen. Offensichtlich war ich ja in meinem Bett aufgewacht. Und danach folgte dann der Briefkastenklassiker; ich schloss ihn auf, bückte mich, erhob mich wieder und knallte mit dem Kopf gegen die Briefkastentür. Die Bluttropfenspur führte zu meiner Tür. Vor Techno hatte man Punk gut gefunden. DETLEF KUHLBRODT