Streit um Zwangsumzüge

Montag treffen sich Finanzsenator Sarrazin und Sozialsenatorin Knake-Werner zum Spitzengespräch. Konfliktthema: Müssen Hartz-Betroffene ausziehen? Miethöhe und Wohnungsgröße sind umstritten

VON RICHARD ROTHER

Wenn sich am Montag Sozial- und Finanzexperten des rot-roten Senats treffen, sollten die Berliner die Ohren spitzen. Denn was Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) unter dem drögen Namen „Ausführungsvorschrift Wohnen“ verhandeln, hat es in sich. Zumindest für die rund 488.000 Berliner – also rund jeden siebten Einwohner der Stadt –, die in einer so genannten Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft leben. Im Kern stellt sich die Frage: Wann müssen sie aus ihrer Wohnung ausziehen, weil diese zu teuer ist? Umstritten ist vor allem, wie groß eine Wohnung sein darf und welche Grundmiete als angemessen gilt.

Hintergrund ist das Hartz-IV-Gesetz, das seit Januar in Kraft ist. Danach zahlt der Bund die Kosten zum Lebensunterhalt für alle erwerbsfähigen Arbeitslosen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Die Kosten für die Unterkunft müssen weitgehend die Kommunen tragen. 1 Milliarde Euro wird das Berlin in diesem Jahr schätzungsweise kosten. Der Bund übernimmt nach bisherigem Stand 29,1 Prozent, übrig blieben also rund 700 Millionen Euro für den Berliner Haushalt.

Finanzsenator Sarrazin und Sozialsenatorin Knake-Werner haben in dem Konflikt – qua ihres Amtes – unterschiedliche Vorstellungen. Sarrazin will eine Regelung, die möglichst wenig kostet, Knake-Werner möchte die soziale Struktur der Stadt erhalten. „Wir wollen keine weitere Entmischung“, sagte Knake-Werner am Donnerstagabend im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses. Knake-Werner fordert deshalb auch eine Regelung, die es den Betroffenen ermöglicht, aus eigener Tasche Zuzahlungen zu leisten, wenn ihre Wohnung zu teuer ist. Das Geld kann durch Zuverdienste oder angespartes Vermögen aufgebracht werden. Außerdem sollte die Quadratmeterzahl einer Wohnung nicht entscheidendes Kriterium für ihre Angemessenheit sein, sagte Knake-Werner – und wurde dabei im Sozialausschuss auch von der Opposition unterstützt. In diesem Punkt könnte Sarrazin von seiner bisherigen Position abrücken.

„Ein vernünftiger Kompromiss ist möglich“, war sich Knake-Werner sicher. Eine Haltung, die Sarrazins Sprecher Matthias Kolbeck gestern bestätigte. Die bisherigen Gespräche zwischen Finanz- und Sozialverwaltung seien konstruktiv gewesen. „Es gibt keinen unvereinbaren Interessenkonflikt.“ Dennoch müsse man auf eine einheitliche Regelung für Sozialhilfe- und Arbeitslosengeld-II-Empfänger achten. Dies sei auch im Hinblick auf die Klage in Karlsruhe geboten.

Hintergrund ist eine Forderung Knake-Werners bezüglich der Richtwerte für die Quadratmetermiete. Hier will die Sozialsenatorin Alg-II-Empfängern einen Euro mehr zugestehen als Sozialhilfebeziehern.

Unterdessen rufen die Hartz-IV-Gegner zu ihrer monatlichen Montagsdemo zum Rathaus Neukölln auf. Treffpunkt ist am Montag um 12 Uhr vor der Arbeitsagentur Neukölln.