La recherche de la bière perdue

Zum Tag des deutschen Bieres: die kleinen Unglücke eines Bierlexikonverfassers

Drei Flaschen sind sofort tot, eine weitere stirbt beim Entleeren des Rucksacks

Für das Abfassen eines rundherum weltgültigen Bierbuchs sieht der Optimalfall Folgendes vor: Nächtliches Anfaxen ausgesuchter Brauereien (zirka zweitausend). Umgehend treffen auf dem Postweg schmackhafte Proben ein, Außendienstmitarbeiter klingeln Sturm und lassen von niedriglohnabhängigen Albanern Traummengen an Flaschenware im Haus abstapeln. Dann werden die Verkostungsergebnisse notiert und anspruchsvoll ausformuliert. Wie gesagt, das ist der Optimalfall.

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Herr Ehrmann wird kurzfristig beauftragt, Cantillon Gueuze Lambic und Girardin Gueuze aus Belgien heimzuführen, da er in der fraglichen Gegend zu drehen beabsichtigt. Die gewünschten Marken habe er in den einschlägigen Geschäften nicht antreffen können, er habe aber so was Ähnliches mitgebracht. Bei unserem nächsten Treffen in Bamberg hat er die Flaschen …– genau: vergessen. Also per Paket. Und was passiert da? „Die Sendung wurde leider beschädigt und deshalb von der Deutschen Post mit Kunststoffhülle versehen.“

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Vormals waren die Berliner Spezialläden in der Charlottenburger Schillerstraße und am Straußberger Platz die Mittelpunkte unserer Vorstellungswelt. Kein Ausländerbier, das dort nicht gern seinen Nebenwohnsitz aufgeschlagen hätte. Wer also Bierbücher schreibt beziehungsweise liest und nicht jede Woche Lust und Zeit auf Abstecher nach Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und den USA verspürt, fährt dorthin und sichert sein Glück. Inzwischen sind Meinungsverschiedenheiten mit diversen Produzenten bezüglich Haltbarkeit und Flaschenpfand zutage getreten, die den Händlern einen gewinnbringenden Ein- und Verkauf verunmöglichen. Daher erinnern die Regale an DDR-Südfruchtläden und sind die Bierbedürftigen sich selbst überlassen, die aus purer Not schnell mal nach Berlin reisen und mit leeren Taschen und vollem Portemonnaie vorsprechen.

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Die schlauchende Radtour durch die Oberpfalz folgt Berg und Tal. Zehn seltene Biere können in entlegenen Gemeinden erstanden werden. Der Rucksack ist voll, der Zug leer. In P. steht aus verkehrstechnischen Gründen ein Wechsel vom Oberen zum Unteren Bahnhof an. Auf halber Höhe der abschüssigen Fußgängerzone reißt uns rechter Rucksacktragegurt, bringt Fahrer und Rad zwar nicht auseinander, gibt dem Rucksack aber Gelegenheit, der Schwerkraft zu folgen und das Hinterrad zu blockieren, woraufhin unser zeitlupengeschwindes Überschlagen unausbleiblich ist. Drei Flaschen sind auf der Stelle tot, eine weitere stirbt beim ungeschickten Entleeren des Rucksacks auf die gewagten Verbundsteinmotive. Die höhnischen Kommentare der Passanten folgen der Tradition voreingenommener Ursachenanalyse. Der Rucksack ist bierdurchweicht und muss umständlich auf dem Gepäckträger verbandelt, das Rad für den Rest geschoben werden. Im Zug fehlen die Arretierungsgurte für Räder. Gleich bei der nächsten Kurve gerät das Rad aus der dürftigen Balance und begräbt mit lautem Knall unter sich zwei weitere tote Bierflaschen sowie zwei schwer verletzte, die auf der Stelle ausgetrunken werden müssen. Der Waggonboden überflutet von Gärungshauptprodukten. Die drei überlebenden Flaschen sowie die wenig(en) neutralen Beobachter der Szene kommen mit dem Schrecken davon.

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Mit der verantwortungsvollen Aufgabe, wichtige Biere aus Baden und Württemberg im Probenbestand zu sichern und die einer Verschriftung würdigsten Kandidaten per Post zu uns spedieren zu lassen, wird Herr Verstappen betraut. Das erste Paket erreicht uns eine Woche verspätet, dafür großzügig mit Folie geschmückt und um eine kryptische Packungsbeilage der Post ergänzt. Die Flaschen sind sämtlich tot, nur einzelne faulige Tropfen ihres Lebenssafts perlen verloren in der Folie. Das zweite Paket verunglückt schon im Versendepostamt. Diese Sendung erhält Herr Verstappen „postwendend“ zurück, mit der Ermahnung, das Bierversenden gründlich zu überdenken.

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Als Raucher muss Herr Sotscheck zum Inhalieren neuerdings vor die Tür seines Dubliner Lieblingspubs gehen. Während des Inhalierens fällt ihm eine Flasche Marston’s Pedigree Bitter im Schaufenster des Pubs auf. Ein Fenster, von dem zuvor niemand Notiz je nahm, geschweige denn von der Flasche Marston’s Pedigree Bitter. Herr Sotscheck erinnert sich an unsere Liste mit britischen Weltklassebieren, die er ruckzuck besorgen möge, und berichtet seinem Wirt von unserem Bierbuchvorhaben, woraufhin ihm dieser in einem Anfall von Rührung und Anerkennung die entdeckte Flasche verehrt, welche umgehend den Luftpostweg in unsere Hände findet. Das Porto übersteigt den Rüstungshaushalt eines Schurkenstaats.

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Die analphabetische Verwandtschaft kommt mit irgend einem Nullachtfuffznbier aus dem Nachbarort angelatscht und fragt mit weihnachtlich aufgesetzter Triumphmiene: „Naaaaa, haste das schon?“ Hilfe!

MICHAEL RUDOLF