Vattenfall wird jetzt zum Umweltfall

Schweden verpasst seinem Staatsunternehmen eine neue Wirtschaftsdirektive: Mit dieser soll auch das Auslandsgeschäft sauberer werden. Praktisch soll der Konzern Vorreiter bei der Umstellung auf ein ökologisches Energiesystem sein

„Kohleverstromung ist nicht die umweltgerechte und sichere Zukunft“

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Neuinvestitionen des Energiekonzerns Vattenfall in die Braunkohleverstromung dürfte es eigentlich nicht mehr geben: Schweden wird seinem Staatsunternehmen auf der Jahreshauptversammlung am Dienstag eine neue Eigentümerdirektive verpassen. Danach soll Vattenfall das „leitende Unternehmen bei der Umstellung auf eine ökologisch und ökonomisch tragfähige Energieversorgung“ werden. Konkret wird dem Konzern aufgegeben „an vorderster Front zu liegen, was verminderte Umweltbelastungen, effektive Prozesse und erneuerbare Energie angeht“. Und das soll nicht nur für Schweden gelten, sondern auch für die ausländischen Aktivitäten Vattenfalls. Allerdings mit einem Hintertürchen: „Im Rahmen von Rentabilitätsgesichtspunkten“ müsse sich das Ganze schon bewegen.

Stichworte zur neuen Direktive gab Wirtschaftsminister Thomas Östros: „Ein Energieunternehmen, welchem Einsicht in die Klimaproblematik und den Bedarf eines größeren Anteils erneuerbarer Energie fehlt, hat keine Zukunft.“ In dieser Hinsicht werden die bisherigen Ambitionen Vattenfalls als „unzureichend“ kritisiert. Energieministerin Mona Sahlin stellte klar, dass Kohleverstromung jedenfalls nicht „die umweltgerechte und sichere Zukunft“ sei, welche die Regierung im Sinn habe.

Der Entschluss der sozialdemokratischen Regierung, den Goldesel Vattenfall an eine ökologische Leine zu nehmen, ist nicht nur ein vom grünen Koalitionspartner „Miljöpartiet“ gefordertes Zugeständnis. Keine liberalisierte Branche hat in Schweden einen so schlechten Ruf wie die Stromversorgung. Höhere Preise und deutlich schlechtere Liefersicherheit sind Resultat der 1996 durchgeführten Strommarktliberalisierung. Nach einem Orkan im Januar war zeitweise jeder achte schwedische Haushalt ohne Strom – manche wochenlang. Folge auch einer sträflich vernachlässigten Netzsicherheit – nur ein Bruchteil der kassierten Netzabgaben wurde nämlich in das Netz investiert. In erster Linie in die Kritik kam dabei die Eon Tochter Sydkraft. Deren Firmenimage ist nun so miserabel, dass die für diesen Monat geplante Einführung des Markennamens Eon in Schweden erst einmal verschoben wurde. Besser weg kam Vattenfall, das seinen KundInnen auch die höchsten Kompensationen für Lieferausfall zahlte.

Stockholm will die Versorgungssicherheit offenbar zum Thema der Parlamentswahlen 2006 machen. Die konservative Opposition will Vattenfall privatisieren, die Regierung das Staatsunternehmen als Garant für sichere und umweltgerechte Stromversorgung präsentieren. Die neue Direktive soll zusammen mit allgemeinen Gesetzesverschärfungen für die gesamte Branche offenbar nachträglich Verstrebungen in den liberalisierten Strommarkt einbauen, dessen allzu frei agierende Marktmechanismen man weit unterschätzt hatte.

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