Elektronische Spätgotik

COMET CLUB I Break Horses aus Stockholm stimmten eine Wintermusik an, die dunkel, monoton und dabei cool und schön war. Das wärmte die Sinne

Die Voraussetzungen hätten kaum besser sein können. Draußen Schwedenwetter, polare Kaltluft. Drinnen eine interessierte Menge an Hipstern und unerschrocken Verträumten, die den langen Weg durch die kalte Montagnacht in den Comet Club gefunden hatten, wenige Meter vor der vereisten Spree.

Auftritt I Break Horses, ursprünglich ein Duo aus Stockholm, bestehend aus Maria Lindén und Fredrik Balck, heute ergänzt durch drei Mitstreitende, fünf Menschen mit schnittigen Frisuren in glitzerndem Outfit, die bald eine etwas überdimensioniert klingende Wintermusik anstimmten, elektronische Spätgotik, mittelalterhaft kalt und dunkel, fachgerecht monoton und dabei cool und schön.

Das Überdimensionierte dieser Musik, die auf Klangflächen setzt, auf Schichten, die sich aufeinander aufbauen, hier allerdings ohne einer sofort erkennbaren Logik zu folgen, hätte vielleicht einen anderen Rahmen gebraucht, einen größeren. Die live ohnehin etwas schwache Stimme von Maria Lindén klang nicht immer gut abgemischt im Vergleich zur Breitbandmusik der bis zu zwei Keyboards und der bis zu zwei Gitarren. I Break Horses, schien es, könnten einen ganzen Eispalast beschallen mit ihrer kathedralischen Musik. Na ja, mindestens das Lido. Nächstes Mal.

Auf dem Cover ihres Debüts, das im Sommer bei Bella Union erschienen ist und „Hearts“ heißt, ist natürlich ein Pferd abgebildet, bunt gescheckt, in Springerpose, auf poppig-weißem Hintergrund. Mit Pferden hat die Musik der Band sonst aber weiter nicht viel zu tun – hier galoppt nichts, es gibt auch keinen Trab, keine Westerneinflüsse, und nur gelegentlich mal so etwas wie ein Marschzitat. Pop im strengen Sinne ist es auch nicht.

Pulshaft und wummernd

Die Beats, hier von einem Drummer auf irgendwelche Pads eingeklöppelt, klingen zwar manchmal nach versunkener Kirmes und dabei kraftvoller als so manches Kiss-FM-Autotune-Stück, sind aber eher pulshaft und wummernd; und mitsamt dem mitunter einfach gestrickten Klangteppich und der verzerrt-ätherischen Stimme Lindéns fühlt man sich eher an den Shoegaze avant la lettre erinnert, nämlich an die frühen Achtziger, an Suicide, Spacemen 3 oder die Cocteau Twins. Dazu wurden spätere Shoegaze-Elemente, wie man sie von My Bloody Valentine kennt, eingebaut, ohne bloße Kopie oder nur Zitat zu sein: Seit langem keinen Gitarristen gesehen, der den Tremolostab kontinuierlich in die Hand nimmt. An diesem Abend, Vorband eingerechnet, gab es zwei davon.

I Break Horses haben im Gegenteil Eigentümlichkeit im Sinn. Etwas, was sie von bloßen Plagiatoren unterscheidet.

Schade nur, dass das Konzert dann so kurz war – sie sind es, scheint es, einfach noch nicht gewohnt, die Hauptrolle zu spielen. So blieb kaum Zeit, die wirklich wichtigen Fragen zu klären: etwa die nach der Übersetzung des Bandnamens. Heißt es: Ich bremse Pferde, so wie man Autos bremst; obwohl, man bremst sie ja gar nicht – man bremst sie ab? Oder heißt es, ich breche Pferde, im moralischen Sinn oder gar im tatsächlichen? Und, was ist eigentlich aus den anderen winterfesten, skandinavischen Bands geworden, die einen ähnlich schönen Drive hatten und eine Schneefallsaison lang jede Autobahnfahrt verzückten? Was ist aus Canidas geworden, aus Munck/Johnson, was aus den norwegischen The White Birch?

Irgendwann fiel dann noch auf, dass Fredrik Balck, wenn er es denn war – vor lauter Haargel nicht zu erkennen – tatsächlich die Basspedale einer Orgel mit den Füßen traktierte. Nur dass die Orgel dazu fehlte. Shoegaze, Kirchenorgeln ohne Orgel, und der Hit der Band heißt dann auch noch folgerichtig „Winter Beats“.

RENÉ HAMANN