Hans-Jürgen, der arbeitslose Vorruheständler

Erst wetterte der Christdemokrat Hans-Jürgen Nagels gegen „Marktradikale und Neoliberale“ in der CDU. Jetzt kämpft er mit Jürgen Rüttgers, gegen die Arbeitslosigkeit. Doch arbeitslos ist der Arbeitnehmervertreter nur auf dem Papier

Von der Sozial- und Gesundheitspolitik seiner CDU hielt Hans-Jürgen Nagels noch im Oktober nicht viel. In der Partei hätten „Marktradikale und Neoliberale die Oberhand gewonnen“, hielt der Oberhausener Ratsherr CDU-Bundesparteichefin Angela Merkel auf einer Regionalkonferenz in Hamm vor. Merkels Gesundheitsprämie treibe Arbeiter und Angestellte in Scharen aus der Partei und sorge für Niederlagen wie bei der Kommunalwahl, warnte der Vorsitzende der der Oberhausener Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Nagels klang beinahe wie der CDA-Bundesvorsitzende Hermann-Josef Arentz, der zuvor das „Abfindungskartell der Manager“ gegeißelt hatte.

Heute jedoch erscheint der Auftritt der beiden Arbeitnehmervertreter wie aus einer anderen Welt: Der schon als NRW-Arbeitsminister gehandelte Arentz stolperte wie CDU-Bundesgeneralsekretär Laurenz Meyer über die RWE-Filzaffäre, und der Kapitalismuskritiker Nagels gibt sich arbeitslos: „Genug ist genug“. Auf über 2.600 Großbildwänden klagt der Diplomingenieur über „1 Million Arbeitslose in NRW“. Traurig schaut Nagels von den Plakaten, wirkt wie ein chancenloser, entrechteter Malocher.

Einziger Schönheitsfehler: Arbeitslos ist der Christdemokrat bestenfalls auf dem Papier. Neben seinen Jobs als CDU-Ratsherr und Oberhausener CDA-Kreisvorsitzender vertritt er seine Partei auch in der Versammlung des Landschaftsverbands Rheinland. Dennoch hält sich der Christdemokrat für ein Opfer der Massenarbeitslosigkeit: „ Ja, ich bin arbeitslos – und das seit Juli 2000“, sagte er der NRZ. Zwei Jahre habe er Kurzarbeitergeld bezogen, danach bis Februar 2005 Arbeitslosengeld. Jetzt warte der Mann auf die wohlverdiente Rente – und die wird prompt am 1. Juni fällig.

Hans-Jürgen Nagels, ein Opfer der von der CDU verschärften Hartz-Gesetze? Tatsächlich bekommt der Christdemokrat drei Monate keine „Bezüge von der Arbeitsagentur“, wie er wortreich beklagt. Finanzielle Schwierigkeiten dürfte der ehemalige Planungsleiter des Mülheimer Mannesmann-Walzwerkes dennoch kaum kennen: Wie von der CDU gewünscht, müsste das Lehrerinnengehalt seiner Frau wohl auch für die Hartz-„Bedarfsgemeinschaft“ der Beiden reichen.

Von Kritik an den Hartz-Gesetzen ist auf Nagels‘ Wahlplakaten trotzdem nichts zu sehen. „NRW kommt wieder“, heißt es stattdessen. Ob er wie sein Parteichef und Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers der Meinung ist, die Massenarbeitslosigkeit ließe sich durch Mehrarbeit ohne Lohnausgleich bekämpfen, bleibt das Geheimnis des CDA-Kreisvorsitzenden – ebenso wie die Frage, ob und wie Hartz nachgebessert werden muss.

Der nordrhein-westfälischen CDU jedenfalls scheinen die Klagen ihres Multifunktionärs langsam peinlich zu werden. In der Düsseldorfer Parteizentrale gilt Nagels nicht als arbeitslos und erst recht nicht als Hartz-Opfer – sondern als Vorruheständler.

ANDREAS WYPUTTA