Notruf 110! Bitte Neuwahlen!

Ein Bremerhavener Polizei-Bündnis kämpft gegen den Senat und für 22 Stellen. Jetzt will es landesweit Stimmen für ein Volksbegehren sammeln – und Neuwahlen erzwingen. Innenressort ist irritiert, Grüne erfreut: „Natürlich begrüßen wir das“

„Wir werden das Ding nicht schaffen, und das wollen wir auch nicht.“

Bremen taz ■ Die Hürde ist hoch, und Dieter Wall ist Realist. „Wir werden das Ding nicht schaffen, und das wollen wir auch nicht“, sagt er. Aber versuchen zumindest wollen sie es, Wall und seine Mitstreiter von der „Aktion (pro) Polizei“: Einen Bürgerentscheid zu erzwingen, um die Bremische Bürgerschaft aufzulösen und Neuwahlen zu erzwingen. Der Anlass: Die Versuche des Bremer Senats und der großen Koalition, auch bei der Polizei ein wenig zu sparen. 5.000 Unterschriften braucht es zunächst, um das Begehren zuzulassen. Wall will in den nächsten Tagen anfangen zu sammeln.

Wall ist Personalrat bei der Polizei in Bremerhaven. Deren Personalstärke soll bis 2010 von derzeit 511 auf künftig 489 sinken. Und wer bleiben dürfe, so rechnen die Fischtown-PolizistInnen vor, habe unter dem Strich bereits heute 15 Prozent weniger in der Tasche als noch 2003. Wird das Volksbegehren zugelassen, sind binnen dreier Monate rund 100.000 Unterschriften nötig. Mehrere Verbände, Organisationen und Parteien haben Wall zufolge bereits Unterstützung zugesagt.

Auf Druck des Bremerhavener Oberbürgermeisters Jörg Schulz (SPD), zugleich Polizeidezernent, hat der Bremer Senat erst letzte Woche noch den Ordnungshütern in der Seestadt eine Sonderzuweisung in Höhe von 1,8 Millionen Euro zugestanden – als Überbrückungsgeld für die Zeit, bis die 22 Stellen tatsächlich abgebaut sind. „Nach Bremerhavener Lesart ist das nicht ausreichend“, sagt Wall. Und ein Grund, das Volksbegehren abzublasen sei der Nachschlag auch nicht. „Notruf 110! Bitte warten …“ titelt sein Bündnis. Kommt es zum Volksentscheid, müsste mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten für den Vorschlag Neuwahlen stimmen.

Im Innenressort von Thomas Röwekamp (CDU und Bremerhavener) schüttelt man den Kopf. Es sei schon „merkwürdig, wenn der Start der Unterschriftensammlung die Antwort darauf ist, dass die Bremerhavener Polizei 1,8 Millionen Euro bekommt“, heißt es hier. Röwekamps Sprecher versichert: „Wir suchen weiterhin das Gespräch.“

Träger des Neuwahlen-Bündnisses sind die Landesverbände des Bundes der Kriminalbeamten (bdk) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), im Boot sitzt außerdem Walls Freie Personalrats-Liste und der Bremerhavener Kreisverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deren Landesverband dagegen ist alles andere als begeistert. „Wenn ich Verbesserungen für die Polizei herbeiführen will, muss ich nicht darüber diskutieren, die Bürgerschaft aufzulösen“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende Heinfried Keithahn: „Das geht am Ziel vorbei.“ Selbst wenn es zum Volksentscheid käme und die Mehrheit der Wahlberechtigten für Neuwahlen stimmten, würden „die Probleme damit nicht gelöst“, argumentiert er. Auch eine neue Regierung stünde schließlich vor den „gleichen leeren Kassen“.

Wall hört diese Argumente nicht zum ersten Mal. Was man fordere, sei „eine andere Art, mit dem Geld umzugehen“, sagt er. Diesen politischen Druck erzeuge das Volksbegehren auch, wenn es scheitere. Wall: „Jede Unterschrift ist schon ein Signal.“

Ein positives Signal in puncto Volksbegehren kam schon von den Bremer Grünen. „Wir finden auch, dass der Senat am Ende ist“, teilten die mit. Weswegen man es „natürlich begrüße, dass immer mehr Bevölkerungsgruppen zu der Erkenntnis kommen, dass diese Regierung am Ende ist und weg muss.“

Armin Simon