Von Swasiland über Spandau zur WM

LEICHTATHLETIK Zwei Afrikaner trainieren beim VfV Spandau für die WM. Davon profitieren beide Seiten

„Wir haben genau ausgewählt, welche Vereine infrage kommen“

Swasiland ist weit weg von Berlin. Im südlichen Afrika ist es gerade Winter und ziemlich kalt. Um 18 Uhr verschwindet die Sonne am Horizont, und es wird schnell dunkel. Dass in einem der ärmsten Länder dieser Welt die Trainingsbedingungen für Leichtathleten nicht gerade die besten sind, muss man kaum erwähnen. Auch deshalb trainieren die 200 Meter Läuferin Nomvula Dlamini und ihr Trainingspartner Sibusiso Matsenjwa im Hakenfelder Stadion in Spandau. Seit einer Woche laufen sie hier täglich ihre Runden, zweimal am Tag und immer unter den strengen Augen von Coach Muzi Mabuza. Die drei bilden bei der Leichtathletik-WM in Berlin das Nationalteam von Swasiland.

Dlamini und Matsenjwa kommen aus einem Land, in dem die Menschen mit 34 Jahren die niedrigste Lebenserwartung dieser Welt haben und mit 42 Prozent die höchste Aids-Quote. Nomvula Dlamini, 25, ist von Beruf Gefängniswärterin und stammt aus Manzini, der größten Stadt des afrikanischen Binnenlandes. Ihr Ziel bei der WM hat sie klar definiert. „Ich möchte meine persönliche Bestzeit steigern“, sagt sie selbstsicher. Dlaminis Rekordzeit über 200 Meter liegt bei 25,48 Sekunden – rund vier Sekunden über dem Weltrekord.

Ihre Bestzeit ist die Läuferin aus Swasiland erst im letzten Monat bei einem Lauf-Meeting in Botswana gelaufen. Da es in ganz Swasiland keine elektronische Zeitmessanlage gibt, starten die Athletinnen und Athleten oft im benachbarten Ausland. Nur so bekommen sie eine offizielle Zeit, die vom Internationalen Leichtathletikverband (IAAF) anerkannt und registriert wird.

Dass die beiden Läufer und ihr Trainer aus Swasiland jetzt schon, zwei Wochen vor der WM, in Berlin trainieren, verdanken sie auch dem Auswärtigen Amt. Sportentwicklungshilfe ist da gute alte Tradition. Schon bei der Bewerbung für die WM hatte Berlin angekündigt, Athleten aus Entwicklungsländern zu Trainingscamps nach Deutschland einzuladen. „Wir lösen jetzt nur das ein, was wir damals versprochen haben“, erklärt Ralph Mouchbahani. Der 50-jährige Diplomsportlehrer ist für das knapp 600.000 Euro teure Entwicklungshilfeprogramm bei der Leichtathletik-WM verantwortlich. Insgesamt sendeten in der letzten Woche 36 Staaten rund 220 Athleten und Trainer nach Deutschland. Sie alle haben über den Internationalen Leichtathletikverband Startplätze für die WM erhalten, obwohl ihre Leistungen weit unter dem Durchschnitt liegen.

In Berlin trainieren auf der Sportanlage des VfV Spandau neben Swasiland auch noch Sportler aus dem Senegal. Beim AC Berlin sind die Mannschaften aus Gambia, Guinea und Togo zu Gast. „Wir haben genau ausgewählt, welche Vereine als Gastgeber infrage kommen“, erklärt Ralph Mouchbahani. Schon vor knapp drei Jahren forderte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seine Vereine auf, sich zu bewerben.

Der VfV Spandau profitiert auch von dem Programm. Die Tartanbahn ist erweitert und erneuert worden, die elektronische Zeitmessanlage auf den technisch neuesten Stand gebracht, und jetzt verfügen die Spandauer sogar über einen Raum für Krafttraining und Massage. Zudem gilt das Hakenfelder Stadion nach nun offiziell als behindertengerecht. „Ohne die Beteiligung an dem Programm wäre das alles nicht passiert“, freut sich Farina Klüver, Jugendtrainerin beim VfV.

Derweil trainieren Dlamini und Matsenjwa weiter kräftig an ihrer Starttechnik. Die gilt es zu verbessern. „Das kriegen wir hin“, erklärt der 30-jährige Coach Mabuza ganz optimistisch. Sie haben ja noch Zeit. Am 18. und 19. August treten die Athleten zu ihren 200-Meter-Vorläufen im Olympiastadion an. Es wird das erste Mal sein, dass die beiden Sprinter aus Swasiland über die blaue Bahn spurten. Darauf freuen sie sich schon jetzt. „Wir haben das Olympiastadion ja nur von oben aus dem Flugzeug gesehen. Wenn wir drin sind, dann laufen wir für Swasiland“, erklärt der 21-jährige Student Matsenjwa.

Seine Bestzeit liegt bei 22,40 Sekunden. Das sind mehr als drei Sekunden über den Weltrekord. Matsenjwa wird im Vorlauf ausscheiden, sich aber dennoch als ein echter Gewinner dieser Weltmeisterschaft fühlen. Und das hat auch ziemlich viel mit dem VFV Spandau zu tun.

TORSTEN HASELBAUER