Demokratiefreie Zone

RECHT Gewählte Beiräte vertreten die Interessen der privaten Besitzer von Eigentumswohnungen – und können gegen Großeigentümer oft nur wenig ausrichten. Das kann zu einem finanziellen Risiko werden. Interessenverband rät, auf die Vertragskonstruktion zu achten

Schon 30 Prozent können einem Eigentümer de facto eine absolute Mehrheit verschaffen

VON JOACHIM GÖRES

Jetzt geht sie wieder los, die Zeit der Eigentümerversammlungen. Die mehr als sechs Millionen Besitzer von Eigentumswohnungen in Deutschland werden zu Beginn des Jahres eingeladen, um sich über die neuesten Entwicklungen in ihrer Wohnanlage zu informieren. Besonders wichtig ist das, wenn große Investitionen anstehen, auf die sich die Gesamtheit der Eigentümer verständigen muss. Das kann heikel werden, wenn das Eigentum nicht gleichmäßig verteilt ist und Einzelne über die Köpfe der anderen hinweg entscheiden können.

Werner Heilgermann leitet solche Sitzungen seit 20 Jahren. Er lebt in einem 1970 gebauten Haus mit sechs Wohnungen in Wunstorf bei Hannover, in dem jede Wohnung in Privatbesitz ist. Die Besitzer haben Heilgermann als Beirat gewählt. In ihrem Namen überprüft er, ob die von der Hausverwaltung erstellte jährliche Kostenabrechnung korrekt ist. „Wir haben eine gute Hausgemeinschaft und keinen Zwist“, sagt Heiligermann.

Die Eigentümerversammlung legt die Höhe des Hausgeldes fest, mit dem die Ausgaben für das Gemeinschaftseigentum beglichen werden. Für Heilgermann und die übrigen Bewohner liegt es monatlich zwischen 220 und 250 Euro. „Damit konnten wir bisher fast alle Sanierungsmaßnahmen finanzieren“, sagt er. Nur für die Balkonerneuerung musste jeder Eigentümer einmalig 600 Euro zahlen.

Nicht immer läuft die Zusammenarbeit der Eigentümer problemlos. Der Verbraucherschutzverein „Wohnen im Eigentum“ rät daher allen Interessenten an einer Eigentumswohnung, neben dem Preis, der Lage und dem Zustand des Objekts auf die Eigentümerstruktur zu achten. Viele Fragen werden von der Eigentümergemeinschaft mit einfacher Mehrheit entschieden. Dabei gilt meist das Prinzip „eine Stimme pro Eigentümer“.

Es ist aber auch ein Stimmrecht möglich, bei dem ein Immobilienfonds als Mehrheitseigentümer in einer Wohnanlage automatisch über die Stimmenmehrheit in der Eigentümerversammlung verfügt. So kann er verhindern, dass ausreichende Instandhaltungsrücklagen angelegt werden – für die vor allem der Mehrheitseigentümer aufkommen müsste.

Werner Schmidt kennt sich mit dem Thema aus – mehr als ihm lieb ist. Zusammen mit seiner Frau lebt er am Rande von Köln in einer in den 1970er-Jahren entstandenen Anlage mit fast 900 Wohnungen. Vom 14. Stock hat er einen schönen Blick über die Stadt. Der wird allerdings getrübt, als der Besitzer die Wohnungen 1996 an einen Immobilieninvestor verkauft.

Die Telos Holding aus Rosenheim macht sich daran, die Wohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Schmidt und seine Frau fühlen sich wohl und entschließen sich zum Kauf.

Danach erleben sie, wie der Mehrheitseigentümer die Investition in nötige Sanierungen verhindert, einen Verwalter seiner Wahl durchsetzt und sich kritischer Beiräte entledigt. Es kommt noch schlimmer: Anfang 2001 meldet die Telos Holding Insolvenz an.

Bis zu diesem Zeitpunkt sind nicht mal die Hälfte der Wohnungen verkauft worden. Den privaten Wohnungseigentümern droht die Übernahme der ausstehenden Hausgeldzahlungen – es geht um 800.000 Euro. „Letztlich mussten wir dann doch nicht für diese Summe einspringen. Das hätte hier zum Konkurs von vielen Besitzern von Eigentumswohnungen geführt“, sagt Schmidt.

Das Hausgeld für die rund 100 Quadratmeter-Wohnung der Schmidts steigt von 163 auf 271 Euro, um die Instandhaltungsarbeiten zu finanzieren, um die sich Telos gedrückt hatte. Dazu kommen sieben Jahre lang 550 Euro als Sonderumlage – der Anteil für die Sanierung der Fassade für insgesamt vier Millionen Euro. Schmidt ist dennoch zufrieden: „Wir haben heute einen Investor, dem noch 30 Prozent der Wohnungen gehören und der auf die Stimmung der Einzeleigentümer Rücksicht nimmt.“

Das müsste er nicht tun, denn trotz des Minderheitenanteils von 30 Prozent verfügt der Investor bei den Eigentümerversammlungen über eine absolute Mehrheit – weil viele Eigentümer gar nicht zu diesen Treffen kommen und ihr Stimmrecht verfallen lassen. Würde Schmidt heute noch einmal seine einstige Mietwohnung kaufen? „Bestimmt nicht, solange es einen Großeigentümer gibt. Das ist hoch riskant“, sagt er.