Mutterhäsinnen werden mitgezählt

Bauern beklagen „bürokratischen Wahnsinn“, weil es schwieriger ist, Milliarden an EU-Beihilfen zu kassieren

BERLIN taz ■ „Das kann lustig werden“, sagt Gerd Sonnleitner, „wir werden auf unseren Betrieben oft Besuch bekommen.“ Der Präsident des deutschen Bauernverbandes redete gestern über die EU-Agrarreform, darüber, dass deutsche Höfe, die aus Brüssel insgesamt 5,5 Milliarden Euro pro Jahr als Subventionen bekommen, künftig genauer überprüft werden sollen. „Kontrolltourismus“ nennt er das. Und man weiß: Er hält davon nichts.

Jammern gehört zum Geschäft, Bauern sind dafür bekannt. Jedoch müssen sich die 400.000 Landwirte der Republik derzeit tatsächlich mit 50 Seiten starken, sehr komplizierten Anträgen beschäftigen. Denn dieses Jahr erhalten sie zum ersten Mal die neue, in der EU-Agrarreform festgelegte „Betriebsprämie“. Anders als bisher werden die Direktzahlungen nicht mehr allein davon abhängig gemacht, wie viel Milch geliefert und Bullen gemästet werden. Und jegliches Tricksen soll mit Geldabzug bestraft werden.

Erläutert wird den Bauern das in einer 150-seitigen Broschüre. Hinzu kommen Merkblätter von bis zu 50 Seiten, je nach Bundesland. In Sachsen-Anhalt sehen die Anträge nämlich anders aus als etwa in Baden-Württemberg. Beispielsweise will das Ländle – aber sonst keiner – wissen, wie viele „Mutterhäsinnen“ gehalten werden. Für Sonnleitner ist das „bürokratischer Wahnsinn“.

Doch auch der kann eines offenbar nicht verhindern: dass Geld überwiesen wird, selbst wenn der Bauer seine Äcker nicht bestellt. Sonnleitner bestreitet das freilich. Dabei ist das Phänomen dieser „Sofabauern“ längst bekannt. Neu ist nur, dass jetzt selbst ein Agrarminister darüber offen spricht. Der Brandenburger Dietmar Woidke (SPD) erklärte gestern im Interview mit dem Berliner Tagesspiegel: „Das Extrembeispiel wäre nach Florida-Rolf dann Mallorca-Wilfried: also ein Bauer, der zwölf Monate im Jahr in Spanien sitzt, die Prämie kassiert und seine 1.800 Hektar von einem Dienstleister minimal bewirtschaften lässt.“

Das war mal anders geplant von Agrarministerin Renate Künast (Grüne). Sie wollte subventionierte Bauern dazu verpflichten, Jobs zu schaffen. Oder ihnen Auflagen machen, besonders umweltschonend und tierfreundlich zu arbeiten. Doch jeder Versuch wurde von den Agrarministern der Unions-geführten und der ostdeutschen SPD-Länder verwässert.

Wer hat, dem wird gegeben. Beim alten Subventionssystem war das allerdings noch ausgeprägter. Unlängst berichtete die International Herald Tribune unter Bezug auf das britische Agrarministerium von königlichen Profiten etwa der britischen Queen Elizabeth. Sie kassierte im Jahr 2002 umgerechnet knapp 800.000 Euro. Und ihrem Sohn Prinz Charles überwies Brüssel rund 330.000 Euro.

HANNA GERSMANN