Wie eine Spinne im Web

AUF ALLEN KANÄLEN In der Unternehmenskommunikation sind Social Media Manager zunehmend gefragt. Zu ihren Aufgaben gehört nicht zuletzt Schadensbegrenzung

Interaktion mit Kunden erfordert heute: schnellst- tmöglich eine Antwort geben

VON OLE SCHULZ

Ob als Revolutionskatalysator, Kommunikationskanal oder Werbefläche: Die Social Media sind längst in aller Munde. Nun ist auch noch ein neues Berufsbild entstanden: der Social Media Manager, darunter können Corporate Blogger ebenso fallen wie Influencer Relations Web Officer. Wer bei den gängigen Onlinestellenbörsen jedenfalls den Oberbegriff Social Media eingibt, erhält Hunderte von Treffern.

Laut einer im Oktober vom Hightechverband Bitkom vorgestellten repräsentativen Umfrage beschäftigt bereits jede zehnte deutsche Firma einen Social-Media-Spezialisten – besonders große Unternehmen, wo bereits jeder Vierte Social Media Manager im Einsatz hat.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass Unternehmen mittlerweile auf allen „Kanälen“ präsent sein müssen und sich für PR wie Kommunikation nach außen soziale Netzwerke im Web 2.0 besonders eignen. „In der Unternehmenskommunikation hat sich Social Media neben den klassischen Medien etabliert“, sagt Tobias Arns, der Social-Media-Referent des Bitkom.

Der PC-Hersteller Lenovo hat für die Region Westeuropa erstmalig im Vorjahr eine Fachkraft fürs Web 2.0 eingestellt: die Niederländerin Carina van Vlerken. Die 40-Jährige nennt sich selbst Marketing & Comms Manager und beschreibt ihre Tätigkeit als „Spinne im Web“, als eine Querschnittsaufgabe zwischen Kommunikation und Marketing. Häufig gehe es dabei um Interaktion mit den Kunden, oft auch um technische Fragen, und wichtig sei es, in kürzester Zeit auf Anfragen zu reagieren. „Denn Social Media bedeutet die Erwartung, schnellstmöglich eine Antwort zu erhalten.“ Darum sei es unabdingbar, „die Unternehmensstrukturen zu kennen und Kontakt zu den verschiedenen Abteilungen zu pflegen“. Von Amsterdam aus koordiniert van Vlerken nun etwa die Netzaktivitäten einer Lenovo-Kampagne, bei der Schüler animiert werden sollen, wissenschaftliche Experimente durchzuführen, und präsentiert die „Space Lab“-Aktion auf der englischsprachigen Lenovo-Facebook-Seite.

Wer im Feld Social Media beruflich Fuß fassen möchte, sollte zum einen „eine Affinität zum Social Web“ haben, wie es Tobias Arns vom Bitkom ausdrückt, und zum anderen „die Fähigkeit, sich in das jeweilige Unternehmen und seine Strategie hineinzuversetzen und diese in den sozialen Medien zu kommunizieren“.

Im laufenden Betrieb schlüpfen die Manager sozialer Onlinemedien dann häufig in die Rolle eines Internetredakteurs, der Themen aufspürt und multimedial aufbereitet, aber auch das Social Media Monitoring gehört zu ihren Aufgaben: zu beobachten, was über das Unternehmen und seine Produkte im Web verbreitet wird.

Dabei werden im Internet auch Reaktionen zur Schadensbegrenzung immer wichtiger. Nirgendwo lässt sich schneller Kritik artikulieren und Protest organisieren. Betroffen war unlängst zum Beispiel ein bekannter deutscher Sportartikelhersteller, der zu den Sponsoren der Fußball-EM 2012 in der Ukraine und Polen gehört: Nach Berichten über Massentötungen von Straßenhunden in der Ukraine erlebte das Unternehmen einen „Shitstorm“ im Internet – und wurde dabei unter anderem „Bloodydas“ genannt. Die Kritik ebbte erst wieder ab, als sich der Sportartikelhersteller über seine Facebook-Seite „strikt gegen jegliche Form der Tierquälerei“ wandte und die ukrainischen Behörden aufforderte, diesen Vorwürfen „gewissenhaft nachzugehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“.

Weil Social Media Manager keine geschützte Berufsbezeichnung ist und es auch noch keine klaren Vorgaben für die Ausbildung gibt, gibt es viele Quereinsteiger. „In der Regel haben Social Media Manager einen Hochschulabschluss“, so Tobias Arns vom Bitkom. Unter ihnen seien Kommunikationswissenschaftler ebenso wie Betriebswirte mit Marketing- oder PR-Know-how oder Sozial- und Geisteswissenschaftler. Doch ganz egal mit welchem Abschluss zählt bei allen ein „ausgeprägtes Verständnis der Zusammenhänge im Web“ zu den Grundvoraussetzungen.

Wer nun vorhat, sich in diesem Bereich zu etablieren, „sollte es jetzt tun“, sagt Mike Schnoor, Pressesprecher des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW). Laut einer BVDW-Studie aus dem Sommer sind in der Branche rund 20.000 Stellen nicht besetzt. Allerdings hat eine weitere BVDW-Studie ergeben, dass viele Firmen keine Neueinstellungen im Bereich Social Media planen, sondern vielmehr auf Weiterbildung ihres bestehenden Personals setzen.

Dafür gibt auch schon allerlei Angebote – von der Qualifizierung zum Web-2.0-Experten bei der Mannheimer Social Media Akademie (SMA) über einen zweimonatigen Fortbildungskurs, den die IHK-Bonn/Rhein-Sieg als Pilotlehrgang im Vorjahr eingeführt hat und 2012 fortführt, bis zur – gemeinsam mit dem BVDW entwickelten – berufsbegleitenden Weiterbildung zum Social-Media-Fachwirt an der Dialog Akademie DDA.

Innerhalb von acht Monaten sind dafür an einem der bundesweit sieben Studienorte 40 Vorlesungstage und fünf Klausuren zu bewältigen. Dass sich der DDA-Lehrgang vor allem an den Führungsnachwuchs richtet, macht auch der Preis deutlich: 7.700 Euro – die BVDW vergibt allerdings dafür Stipendien, für die man sich noch bis zum 22. Februar bewerben kann.

BVDW-Sprecher Schnoor erwartet jedenfalls, dass Social Media sich „zur Normalität im Agenturgeschäft“ entwickelt und bei diesem Prozess auch eine „Marktbereinigung“ stattfinden wird, die von einer zunehmenden Professionalisierung begleitet werden wird. Dazu beitragen könnte die „Prüfungs- und Zertifizierungsorganisation der deutschen Kommunikationswirtschaft“ (PZOK), die bereits Standards für die Ausbildung zum PR-Berater entwickelt hat und in Kooperation mit dem Bitkom gerade an entsprechenden Richtlinien für Qualifikationen zum Social Media Manager arbeitet.