Nur kleine Geschenke

Papier ist geduldig. Und so versprechen alle Parteien in ihren Programmen zur Landtagswahl, den NRW-Haushalt nicht noch weiter zu belasten

Für den Fall, dass es nach Regierungsübernahme in NRW mit der angekündigten Entschuldung doch nichts wird, hat die CDU den Schuldigen schon ausgemacht: die SPD. Denn nach Rechnung des Finanzexperten der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Diegel, hat die den wahren Schuldenstand des Landes durch „Tricksen, Tarnen und Täuschen“ systematisch verschleiert. Mindestens 122 Milliarden Euro beträgt nach Rechnung der Christdemokraten der Schuldenstand Nordrhein-Westfalens.

Die CDU ist überzeugt, dass sie den Schuldenberg reduzieren kann, ohne Wahlversprechen zu brechen. „In unserem Wahlprogramm sind für die kommenden fünf Jahre Mehreinnahmen von 1,9 Milliarden Euro bei Mehrausgaben von 1,8 Milliarden Euro eingeplant“, rechnet ein Parteisprecher vor. Wo gespart werden soll, ist dem 61-seitigen CDU-Zukunftsprogramm zu entnehmen: Die Steinkohlesubventionen von momentan über 500 Millionen Euro pro Jahr sollen halbiert, Personal in der Verwaltung abgebaut und Landesgesellschaften privatisiert werden. Ob dadurch die versprochenen Investitionen kompensiert werden können, ist fraglich. Allein bei den Landesstraßen in NRW hat die CDU einen Investitionsstau in Höhe von einer Milliarde Euro ausgemacht. Rechnet man dazu die versprochenen 4.000 neuen Lehrerstellen, den Ausbau von Groß- und Regionalflughäfen und die Verdopplung des Kulturhaushalts, dürften die 1,8 Milliarden Euro Mehrausgaben beinahe erreicht sein. Den errechneten 11 Milliarden-Euro-Investitionsstau bei den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern könnte die Union deshalb – wie andere Projekte auch – überhaupt nicht erst angehen.

Auf Seiten der Landesregierung lautet die finanzpolitische Losung „weiter wie bisher“. Ein Sprecher der NRW-SPD kündigt an: „Wir kürzen überall, außer bei der Bildung.“ Lediglich die Ganztagsschulen und die Betreuung für unter Dreijährige sollen ausgebaut werden. Wie teuer das werden soll, wird dem Wähler nicht offenbart; im Wahlprogramm findet sich nicht eine Zahl. „Die Spielräume sind sehr eng“, heißt es statt dessen.

Auch die Grünen wollen in ihrem Wahlprogramm nicht zu sehr ins Detail gehen. „Wir wollen weiter Schwerpunkte bei Bildung, Forschung und ökologischer Innovation setzen“, so die grüne Finanzexpertin Edith Müller zur taz. Wie sich die Umsetzung dessen auf den Landeshaushalt auswirken würde, kann sie nicht beziffern. „Mir liegen keine Berechnungen vor.“

Leichter haben es da die Parteien, die keine Gefahr laufen, sich nach dem 22. Mai versehentlich in der Regierung wiederzufinden. Die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) verspricht etwa bundesweit eine Million Jobs im öffentlichen Dienst, dazu milliardenschwere Beschäftigungs- und Infrastrukturprogramme. Finanziert werden soll das durch Vermögens- und Erbschaftssteuer. Weil die aber nur der Bund beschließen kann, müsste auch die Linkspartei nicht lange nach einem Schuldigen für etwaige Haushaltslöcher in NRW suchen.

KLAUS JANSEN