Die naseweisen Akademiker

In der Kinder-Uni an der HU erklären Professoren kleinen Zuhörern ganz komplizierte Dinge ganz einfach: etwa, warum Albert Einstein so schlau war. Morgen findet die zweite Vorlesung statt

VON MARTIN KAUL

Eines gleich vorweg: Wer sich von der heutigen Kindergeneration die besseren Studenten versprochen hatte, braucht gar nicht erst weiterlesen. Das mit der Disziplin, mit der Ruhe auf den Sitzbänken und der Ausdauer im Vorlesungssaal – das wird wohl nix. Dafür gibt es vor der Vorlesung Fangenspielen und Fußball im Innenhof, während der Vorlesung lauten Streit um vom Tisch gefallene Radiergummis und nach der Vorlesung ein Wettrennen um Kuscheltiere. Zumindest ging es so bei Kinder-Uni der Humboldt-Universität (HU) zu. Studieren macht eben kreativ – und hier offenbar besonders.

Es ist Einstein, der in dieser Vorlesung auf der Tagesordnung steht, harter Tobak also, direkt zu Semesterbeginn. Wer das ist, dieser Albert Einstein? „Ich kenne den regulär gar nicht“, sagt Julian, zehn Jahre alt, „aber vermutlich ist es ein ziemlich berühmter Mann.“ Die Janina ist schon einen Schritt weiter: Sie scheint eine Antwort auf die große Frage zu haben, die heute hier behandelt wird: „Können wir in die Vergangenheit sehen?“ „Jein“, sagt sie – und sie wird Recht behalten. Noch sitzt die Achtjährige gespannt in der letzten Reihe des Audimax der HU und wartet. Als eines unter hunderten von Kindern. Papa musste draußen bleiben.

Alle hier sind etwa gleichaltrig: Sie sind zwischen acht und zwölf Jahre alt. Am Anfang sitzen sie noch ganz gespannt und still. In der Uni waren die meisten von ihnen noch nie. Was da eigentlich auf sie zukommt? „Keine Ahnung“, sagt Marc. Aber irgendwie sehe es hier lustig aus. „Hier gibt es ja gar keine Klassenräume!“, ruft Hendrik und freut sich mit seinem Freund Leon, der „die riesigen Zimmer hier viel besser“ findet. „Aber jetzt muss ich mich konzentrieren.“

Gerade hat jemand auf den großen Gong gehauen. Ein lautes „Pscht“ zieht sich durch den Saal, im dem jetzt die erste Vorlesung der vierteiligen HU-Kinder-Uni beginnt. Jetzt ist alles still. Dann fängt der ältere Mann da vorne an zu fragen: Wie das denn nun sei mit der Vergangenheit? Was die Vergangenheit mit Licht zu tun habe? Und mit Raum? Lutz-Helmut Schön, Professor für Didaktik der Physik, hat heute eine besondere Aufgabe: komplizierteste Sachverhalte wirklich allen verständlich zu machen.

Das ist die Idee, mit der die Humboldt-Universität in diesem Jahr zum zweiten Mal die Kinder-Uni ins Leben rief – und damit zum einen Grundschulkindern ein Bild von der Universität vermitteln will, zum anderen aber auch ihren Professoren besondere Anstrengungen abverlangt: Denn von solch professoralem Einsatz schließlich können die älteren Studis oft nur träumen.

Allerhand Spiegel, Taschenlampen, Bälle und sonstiges Zeug hat der Professor da vorne aufgebaut, eine Einstein-Büste natürlich – und wenn Lutz-Helmut Schön experimentiert, wird es still im Audimax. „Wahnsinn!“, sagt ein Mädchen leise zu ihrer Tischnachbarin, und kurz darauf klopfen 500 Kinderstudis routiniert auf die Tischplatte. Das heißt: Experiment gelungen – Hut ab! Aber die Kinder wissen: Auch wenn es so aussieht – zaubern kann der Professor nicht.

Es dauert noch zwei Tricks, dann ist der Unterhaltungseffekt plausibel geworden. 500 Kinder wissen jetzt, wie das mit der Lichtgeschwindigkeit und der Vergangenheit ist.

Zugegeben: Etwas schwierig wird es für die Kleinen schon, die ganze Zeit still zu sitzen, hier, in diesem riesigen Raum, neben so vielen anderen Kindern. Einige runzeln die Stirn über den Dozenten. Aus der Masse ruft auch mal jemand: „Lauter!“ Und wer hier unkonzentriert ist, hat Wichtigeres zu erledigen: etwa den Streit um den Radiergummi, der wirklich abschließend geklärt werden muss.

Doch die meisten Kinder haben den Ausflug in die Welt der Akademiker genossen. Wie zum Beispiel Janina. Aber jetzt ist sie müde und will ins Bett. Sie ist wirklich eine ganz Clevere: Ihr „Jein“ auf die Frage nach dem Wissen über die Vergangenheit war richtig. Und was ist denn nun der Unterschied zwischen Universität und Schule? „Schule ist weit weg“, sagt sie. Besser hätte auch das Universalgenie Albert Einstein das Ding mit der Relativität nicht erklären können.

Ob es Einhörner und Meeresungeheuer gibt, damit beschäftigt sich am morgigen Donnerstag um 17 Uhr Prof. Natascha Adamowsky im Audimax der Humboldt-Universität in der zweiten Veranstaltung der Kinder-Uni. Warum wackelt die Erde? Und wie entdeckt man die Welt? Das sind Fragen, die am 12. und 19. Mai jeweils um die gleiche Uhrzeit auf dem Programm der Kinder-Uni stehen. Einzelbesucher müssen sich nicht anmelden. www.hu-berlin.de/kinderuni