Glückliche Hühner sorgen für bessere Schüler

Eine Bremer Schule verbindet Hühnerzucht und Ganztagsunterricht miteinander und gewinnt den 1. Preis im Wettbewerb der Ganztagsschulen

„Das sind die Glücklichsten, die ich kenne“, sagt David (10) über seine Hühner. Seit dreieinhalb Jahren kümmert sich die Klasse 4 b der Bremer Gesamtschule Baumschulenweg ums Federvieh. „Die sind verrückt nach den Hühnern“, seufzt Klassenlehrerin Karin Zwicker. Sie liebt Tiere, aber eigentlich war das mal anders gedacht.

Vor über zehn Jahren hatte das Lehrerkollegium der Grundschule Baumschulenweg die Idee, Nutztiere in der Schule zu halten, damit die Kinder vom Ei bis zum Grillhähnchen mit Tieren umzugehen lernen. Doch an Schlachten ist in diesem Jahr überhaupt nicht zu denken! Die Kinder können zwar haargenau erklären, wie das geht. Aber Brownie, Buster, Fußballmannschaft und Flitzeputz sollen so nicht enden.

Ein Abschied steht trotzdem bevor. Im Sommer verlassen David und seine Klassenkameraden die Grundschule und dann übernehmen die Jüngeren. Dass die geliebten Hühner auf die erste Klasse übergehen, haben die SchülerInnen anstandslos akzeptiert und die Kleinen deshalb frühzeitig angelernt.

„Wir gucken immer, wo begegnen sich Kinder verschiedener Klassen, deshalb arbeiten wir in jahrgangsübergreifenden Projekten“, erklärt Davids Klassenleiterin Karin Zwicker. Mit der Einschulung übernehmen Kinder, Eltern und Lehrer zusammen ein Projekt, sei es Teich, Imkerei, Bauerngarten oder Marktstand. Aussuchen können sie sich das Projekt nicht, denn dann gäbe es nur noch „Hühnerklassen“.

Auch die Jury des Wettbewerbs „Zeigt her eure Schule“, den das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zum ersten Mal ausschrieb, war so begeistert von den Hühnern, dass sie das Projekt der Bremer Schule zum besten bundesweiten aus 200 Vorschlägen von Ganztagsschulen aus ganz Deutschland erkor. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) spielte in der vergangen Woche gute Fee und erfüllte den Preisträgern einen Wunsch – ein schuleigenes Forschungslabor.

„Wir haben immer gedacht, wenn wir bloß mehr Zeit mit den Kindern hätten für die tollen Dinge, die wir machen wollen. Und als dann die Ganztagsschule kam, haben wir sofort einen Antrag gestellt“, erzählt die Schulleiterin Julie Kohlrausch. Im Kollegium teilten nicht alle ihre Begeisterung. Besonders ältere Kollegen trennten sich ungern vom mittäglichen Unterrichtsschluss und altvertrautem Frontalunterricht.

Unerwartete Zustimmung kam dagegen von den Eltern, es gab mehr Anmeldungen für den ersten Jahrgang als erwartet. Die Kinder, die im September eingeschult worden sind, haben als erste Pflichtunterricht von 8 Uhr bis 16 Uhr. Ab dem Schuljahr 2006/2007 wird es nur noch Ganztagsklassen geben.

So mancher findet es hart, wenn Erstklässler acht Stunden in der Schule verbringen müssen. Auch die LehrerInnen vom Baumschulenweg hatten damit gerechnet, dass Kinder wieder abgemeldet werden. Doch nach einem dreiviertel Jahr lautet das Resümee: „Es ist unglaublich, wie gut die Erstklässler mit dem Ganztagsschulbetrieb klarkommen.“ Die Kinder sind selbstständiger, erleben entspannte Lehrer, die ihren Lernstoff nicht mehr in einen Vormittag pressen müssen und dafür mehr Zeit für Projekte haben.

Schwierige, lernschwache Kinder – die gibt es auch in der Gesamtschule am Baumschulenweg. Aber hier glaubt man an die Kinder: „Auch Schüler, über die gejammert wird, sind zu tollen Leistungen und zu sozialem Miteinander fähig“, sagt Zwicker aus Erfahrung. Für ein friedliches gemeinsames Lernen sorgt schon das Schulgelände: Wenn Kinder auf Bäume klettern, in der Ritterburg spielen, über Baumstümpfe balancieren, auf dem Sportplatz bolzen oder Hügel runterrennen, bleibt wenig Energie, um sich die Köpfe einzuschlagen.

Freies Spielen und vielfältige Bewegungsmöglichkeiten tun den schulischen Leistungen keinen Abbruch – im Gegenteil: Die Bremer Schüler haben an Vergleichstests für Deutsch und Mathematik teilgenommen und sind im Ranking ganz oben gelandet. „Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Kohlrausch. „Wir wollen keine Wohlfühlschule um des Wohlfühlens willen, wir wollen, dass sich die Leistungen verbessern und auf hohem Niveau einpendeln“, meint die Lehrerin streng.

Eine Stunde pure Mathematik in aller Öffentlichkeit, das ist der Marktstand. Die Produkte sind alle aus eigener Herstellung: Karten, Teelichter, Eier, Honig, Apfelmus. Kopfrechnen ist gefragt, damit die Kasse stimmt. Kai (9), Hilke (9) und Sophie (10) aus der Klasse 3 b haben in einer halben Stunde 20 Euro Umsatz gemacht. „Das Geld ist für die Tiere“, erklärt Kai.

Doch um die finanzielle Zukunft ihrer und anderer Ganztagsschulen machen sich Schulleiterin Kohlrausch und ihre Stellvertreterin Karin Zwicker Sorgen: „Ohne die Gelder aus Berlin wären wir niemals gestartet. Wie Bremen die Ganztagsschulen, die das Land jetzt ins Leben gerufen hat, weiter finanzieren will, können wir uns kaum vorstellen“, sagt Julie Kohlrausch. Karin Zwicker wird noch deutlicher: „Das schaffen die Länder nicht allein. Wir würden uns wünschen, dass der Bund sich langfristig engagiert und evaluiert.“ CHRISTINE PLASS