Keine sechste Chance

KRISENKLUB Nach nur fünf Spielen und einem 0:5-Debakel in Stuttgart wird Michael Skibbe als Trainer von Hertha BSC wieder entlassen. Am Sonntag liefen rund 200 verbitterte Hertha-Anhänger aufs Trainingsgelände

AUS STUTTGART ELKE RUTSCHMANN

Als sich Peter Niemeyer und Kapitän Andre Mijatovic am Samstag nach dem 0:5-Debakel von Hertha BSC zum Gästeblock begaben, um sich zu entschuldigen, da erwartete sie nur noch ein kümmerlicher Rest der nach Stuttgart gereisten Berliner Fans. Die Ultras waren bereits in der Halbzeit gegangen. „Man muss sich stellen, wenn man so was verbockt. Die erste Halbzeit war grausam“, sagte Niemeyer.

Der demonstrative Liebesentzug der Anhänger setzte sich dann gestern Vormittag in der Hauptstadt fort. Zum Abschluss des Trainings liefen rund 200 gut eingepackte Anhänger auf das Vereinsgelände nahe dem Olympiastadion und hielten einen Schweigemarsch ab. Sie ignorierten die Anweisungen der Ordner und verfolgten die Hertha-Spieler stumm auf dem Weg zum Auslaufen. Es folgte ein emotionales Gespräch, das nach 30 Minuten friedlich endete.

Dritter Platzverweis

Die Wut der Anhänger war verständlich. In Stuttgart stand eine Mannschaft ohne Gefühl und ohne Aufbäumen auf dem Platz. Eine unglaubliche Viertelstunde des VfB Stuttgart reichte zur Demontage. Innerhalb dieser Zeitspanne waren den Stuttgartern durch Vedad Ibisevic (25.), Martin Harnik (28./41.) und Shinji Okazaki (32.) vier Treffer gelungen. Harnik setzte in der 58. Minute noch das 5:0 oben drauf. Das eigentliche Unheil nahm für die Berliner seinen Lauf, als Andreas Ottl in der 30. Minute dem Stuttgarter Tamas Hajnal brutal von hinten in die Beine sprang und Rot sah. Zum dritten Mal in Folge beendeten die Berliner eine Partie in Unterzahl.

Michael Skibbe stand bei dabei stoisch an der Seitenlinie, die Hände in einer schwarzen Daunenjacke vergraben und machte nicht den Eindruck, dass er dem Team die Lethargie austreiben könnte. „Die erste Halbzeit war die schlimmste, die ich je als Trainer erlebt habe“, sagte er. Das klang für die Hertha-Führung nicht nach einem Plan, innerhalb von zwei Jahren den zweiten Abstieg zu verhindern.

Manager Michael Preetz vermied es deshalb schon in Stuttgart, Treueschwüre auf den Trainer abzulegen. Gestern erfolgte dann die Trennung. Skibbe hatte die Nachricht enttäuscht, aber gefasst aufgenommen. „Ich übernehme die Verantwortung für die Trainerverpflichtung, die leider nicht aufgegangen ist“, sagte Preetz. „Aber wir mussten jetzt handeln.“ Skibbe hatte erst im Dezember 2011 eine intakte Mannschaft mit einem gewissen Polster zur Abstiegszone übernommen, Hertha hatte sogar eine Ablösesumme für ihn bezahlt. Unter seiner Regie verlor Hertha die Bundesligaspiele gegen Nürnberg, Hannover, Hamburg und Stuttgart, schied zudem im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach aus. 0 Punkte, 1:12 Tore.

Skibbe eilte in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt schon der Ruf voraus, dass er Dinge nicht zu Ende bringt und von den Spielern nicht sonderlich viel fordert. Und jetzt das jähe Ende, trotz eines Vertrags bis 2014. Preetz deutete gestern allerdings an, dass sich aufgrund diverser Klauseln der finanzielle Schaden für Hertha im Rahmen hielte. Das Ansehen des Managers allerdings hat gelitten. Preetz entließ mit Skibbe bereits den vierten Trainer in zweieinhalb Jahren. Davor mussten schon Lucien Favre, Friedhelm Funkel und Markus Babbel gehen.

Interimslösung Tretschok

Einen Nachfolger konnte der Manager gestern noch nicht präsentieren, doch es läuft alles auf den bisherigen U19-Trainer, den ehemaligen Profi René Tretschok, als Interimslösung für Herthas 1000. Bundesligaspiel am Samstag gegen Dortmund hinaus. Parallel soll nach einem neuen Chefcoach gefahndet werden. Wenn dieser nicht die Wende schafft, dürfte auch Preetz um seinen Job bangen müssen.

Es geht also in der Rückrunde auch um dessen Existenz. „Ist das nicht in jeder Saison bei mir so? Im ersten Jahr durfte Hertha nicht absteigen. Im zweiten musste der Aufstieg her. Und jetzt dürfen wir nicht absteigen“, sagte Preetz.