gottschalk sagt
: Die Rache der Kleinbürger

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Ich bin zu folgendem Schluss gekommen: Die Bürgerkinder nutzen die momentane politische Lage, um sich an den Asis zu rächen, von denen sie früher verhauen worden sind.

Nehmen wir mal die EU-Verordnung, die besagt, dass Bauarbeiter nicht mehr mit nacktem Oberkörper arbeiten dürfen. Angeblich wegen Hautkrebsgefahr, ich lache mich tot. Sexualneid ist der wahre Grund. Der blasse, unsportliche EU-Beamte sieht diese Männer, die offensichtlich zu 80 Prozent aus Muskeln, Testosteron und ungebrochenem männlichen Selbstbewusstsein bestehen (die übrigen 20 Prozent sind Geschlechtsteile) und denkt sich: „Wie kann man nur so primitiv sein, und die Weiber stehen auch noch drauf?“

Genau diese Typen standen früher immer am Stromkasten, riefen ihm Sachen zu und jagten ihm Angst ein, wenn er auf dem Weg zur Chemie-AG war. Bei ihnen standen schöne Mädchen in Jeans-Anzügen und rauchten. Doch die Zeiten sind vorbei, jetzt hat er was zu sagen. Und wenn es nur ist: „Zieht Euch was an.“

Was taten diese Jungs noch? Der Kollege im Kölner Rat weiß es. Sie spuckten. Ständig spuckten sie aus. Versuchte man, es ihnen nachzumachen, sah es jämmerlich aus. Sie hatten es in ihren Siedlungen gelernt, von Kindesbeinen an. Könnte man ihnen nur das Spucken verbieten. Kann man. Mit dem Manifest der späten Rache der beleidigten Kleinbürger, der Kölner Straßenordnung.

Stellen Sie sich vor, Sie haben jemanden beleidigt. Früher konnte er sein Gesicht wahren, indem er Sie fest anschaute, seine Bierdose zerquetschte und fort schleuderte, seine Zigarette wegschnippte und verächtlich ausspuckte. Kostet heute alles zusammen im günstigsten Fall 55 Euro. Da kann er Ihnen auch gleich in die Fresse hauen.