Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„A nous la liberté – Es lebe die Freiheit“, 28. 4. & 30. 4.Zeughauskino„Magnificent Obsession – Die wunderbare Macht“ (OF), 1. 5.Arsenal 1 „Eraserhead“ (OmU) 29. 4.–30. 4.Filmkunst 66

Sozialkritik als heitere Filmoperette: Der Regisseur René Clair erzählt in seiner Satire „A nous la liberté“ (1931) die Geschichte eines Gefängnisausbrechers, der es zum stolzen Besitzer einer Grammofon-Fabrik bringt, am Ende jedoch lieber auf alle Besitztümer verzichtet und wieder als Tramp auf Walze geht. Denn das Arbeitsleben in der Fabrik weist für seinen Geschmack allzu starke Analogien zum Gefängnisalltag auf: Die Arbeiter werden von Aufpassern mit Armbinden beaufsichtigt und durchsucht, sie dürfen während der Fließbandarbeit nicht miteinander sprechen und müssen im Marschtritt an ihren Arbeitsplatz treten. Charles Chaplin ließ sich von diesen Szenen so offensichtlich für seinen Klassiker „Modern Times“ (1936) inspirieren, dass es sogar zu einem Rechtsstreit kam. Im Übrigen besticht „A nous la liberté“ als früher Tonfilm mit einer sehr beweglichen Kamera, der darüber hinaus Lieder anstelle von Dialogen sehr geschickt einzusetzen weiß.***„Alle Sirkschen Figuren laufen einer Sehnsucht hinterher“, hat Rainer Werner Fassbinder einmal über die Filme von Douglas Sirk angemerkt. Das gilt auch für das Melodram „Magnificent Obsession“ (1954): Der arrogante Millionär Bob (Rock Hudson) verursacht durch seine Selbstsucht das Unglück von Helen (Jane Wyman), die bei einem Unfall erblindet. Bob verliebt sich, nimmt sein unterbrochenes Medizinstudium wieder auf und kann ihr das Augenlicht wiedergeben. Die „Besessenheit“ des Originaltitels ist dabei durchaus doppeldeutig: Zum einen bezieht sie sich auf eine etwas pfadfinderhafte christliche Botschaft (die komplett mit Quasi-Gottesbote und Engelchören daherkommt), zum anderen aber wird Helen für Bob auch ganz irdisch zur Obsession. „Magnificent Obsession“ besitzt nicht die gesellschaftspolitische Schärfe anderer Sirk-Filme, ist jedoch ähnlich intelligent inszeniert – vor allem, was die Dramaturgie von Farben und Jahreszeiten angeht, welche die Ereignisse nicht nur begleitend kommentiert, sondern zum Teil vorwegnimmt. Und wenn es Helen einmal besonders schlecht geht, heißt sogar das Sanatorium „Shadow Mountain“ … ***Ein experimenteller Horrorfilm mit einer bösen Parodie auf das Familienleben: David Lynchs erster abendfüllender Spielfilm „Eraserhead“ (1977) macht den Zuschauer mit Henry bekannt, der zur Heirat mit seiner schwangeren Freundin gezwungen wird, jedoch bereits nach wenigen Tagen mit einem unentwegt schreienden Monsterbaby allein zurückbleibt. Das Zimmer, in dem Henry versucht, den seltsamen Sprössling zu versorgen, erweist sich als surreale Albtraumwelt, die insbesondere durch speziell hervorgehobene Geräusche erzeugt wird: Das Rauschen der Heizung, das Kratzen der Auslaufrille einer Schallplatte, Wind und Regen sowie das ewige Kreischen des Kindes zerren an den Nerven des überforderten Vaters. Kein Wunder, dass dieser die titelgebenden Halluzinationen bekommt: Ihm fällt der Kopf ab, der umgehend zu Radiergummi weiterverarbeitet wird. LARS PENNING