Ein Lächeln, mit Tränen in den Augen

Maria Schell, Film- und TV-Schauspielerin und „Seelchen“ der Nation, ist gestern im Alter von 79 Jahren gestorben

Es gibt nicht viele deutschsprachige Schauspielerinnen, die es zu einem Eintrag in Ephraim Katz’ „The Film Encyclopedia“ gebracht haben – sie jedoch steht dort wie selbstverständlich verzeichnet, wenngleich knapper gewürdigt als ihr Bruder Maximilian: Maria Schell, „intensive, seelenvolle Dame des internationalen Films“, heißt es dort, was sie gerade in den Fünfzigern in Filmen wie „Die Brüder Karamasow“ (mit Yul Brunner an ihrer Seite) und „Die letzte Brücke“ gezeigt hat. Eine Frau, die, wie es hieß, „mit Tränen in den Augen lächeln konnte“.

In dieser Kraft vermochte sich das Nachkriegsdeutschland wiederzuerkennen – in einer Schauspielerin, die auf der Leinwand die Antithese zur „Schaffe, schaffe, Häusle baue“-Mentalität jener Jahre nach der Nazizeit verkörperte. Da konnte eine ihre Tränen fließen lassen – und durchhalten.

Maria Schell war obendrein unverdächtig, unverbraucht. Am 15. Januar 1926 in Wien als Spross einer Künstlerfamilie geboren, Schweizerin des Vaters wegen, stand sie nicht im Verdacht, schon der Nazifilmfabrik gedient zu haben. Mit Schell konnte frau sich identifizieren, als der Feminismus noch nicht in der Welt war – eine Frau, die in Luxus und Dienstbarkeit schwelgte, die das Leben jenseits des Kinos wie einen Kinofilm nahm: ein einziger Auftritt, grundiert von mächtigem Ehrgeiz und stahlharter Durchsetzungskraft. Kein Wunder, dass sie in den Fünfzigern jede Menge an bundesdeutschen Publikumsauszeichnungen erhielt, den Bambi beispielsweise en gros. Aber auch in Cannes, bei den Filmfestspielen 1954, wurde sie graduiert als beste Filmschauspielerin. Sie war zeitlebens stolz darauf, mit Kollegen wie Marcello Mastroianni, Gary Cooper oder Curd Jürgens gearbeitet zu haben.

Ihre Beliebtheit gerade bei den Kindern der Wirtschaftswundergenerationen schwand jedoch: Frauen, die weinen ohne ersichtlichen Anlass, galten ja als Heulsusen – der Feminismus selbst diskreditierte sie notgedrungen: Eine Frau, die zu viel liebt und nur mit Gefühlen, aber nicht mit gesellschaftlichen Verhältnissen kämpft, schien suspekt. Im Fernsehen, seit Anfang der Achtziger, war sie vor allem durch die Serie „Eine glückliche Familie“ präsent – was ihrer Popularität förderlich war, ihr aber wie ein Abstieg vorgekommen sein muss. In den letzten Jahren machte sie vorwiegend privat von sich reden: Depressionen und Kaufsucht. Wie einst versuchte sie in Luxus zu schwelgen, eine Kaufwütige, die sich besorgte, was ihr an Liebe, an Nähe und Nahbarkeit zu anderen fehlte.

Ihr Bruder Maximilian drehte vor drei Jahren einen schönen Film über seine siecher werdende Schwester – bei der Premiere in Wien hatte Maria Schell, die großartige Filmschauspielerin, die intensivste, Ironie-unbegabteste vielleicht ihrer Generation, ihren letzten öffentlichen Auftritt. Gestern starb sie 79-jährig an einer Lungenentzündung auf ihrer Kärntner Alm – „friedlich“, wie es von ihren Angehörigen heißt. JAN FEDDERSEN