Kein Grund, kein Druck

HAPAG-LLOYD Hunderte Millionen Euro „ohne Not“: CDU, FDP, Grüne und Linke sehen die Aufstockung der städtischen Reederei-Anteile kritisch

Hapag-Lloyd wurde 1847 in Hamburg gegründet und ist die größte deutsche Frachtreederei.

■ Umsatz 2011: Mehr als sechs Milliarden Euro.

■ Umschlag 2011: Mehr als fünf Millionen Container.

■ Weltmarkt: Rang fünf mit einem Marktanteil von etwa vier Prozent.

■ Schiffe: Etwa 150 Frachter und andere Schiffe.

■ Liniendienste: Zu 215 Häfen weltweit.

■ Standorte: In 114 Ländern.

■ Mitarbeiter: Fast 6.900 weltweit.

Nach Ansicht von Jens Kerstan „ist der Deal überflüssig“. Für den Kauf von weiteren Anteilen an der Reederei Hapag-Lloyd durch die Stadt Hamburg sei ihm „kein einziger überzeugender Grund genannt worden“, erklärte der GAL-Fraktionsvorsitzende gestern im Rathaus. Bei einem Informationsgespräch mit den Spitzen aller fünf Bürgerschaftsfraktionen habe Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) sogar eingeräumt, dass der Mutterkonzern Tui keinen anderen Interessenten für die Reederei habe. „Es gibt also keinen Druck“, folgert Kerstan.

Die Stadt will für 420 Millionen Euro weitere Anteile an der 164 Jahre alten Hamburger Traditionsreederei (siehe Kasten) vom Hannoverschen Reisekonzern Tui erwerben. Ihre Anteile aufstocken wollen auch der Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne (plus 160 Millionen Euro) sowie die Versicherungen Hanse-Merkur (plus 13 Millionen Euro) und Signal Iduna (plus 7 Millionen Euro).

Alle vier arbeiten seit 2008 im Konsortium „Albert Ballin“ zusammen, das damals gegründet worden war, um den Verkauf von Hapag-Lloyd an den Konkurrenten NOL in Singapur zu verhindern. Zusammen halten sie 61,6 Prozent. Da Tui nun weitere 33,3 Prozent abstoßen will, stockt das Konsortium seine Beteiligung auf. Hamburg würde mit allein 37,8 Prozent größter Aktionär. Das sei notwendig, so die Argumentation des SPD-Senats, damit Firmensitz, Arbeitsplätze, Wirtschaftskraft und Steuereinnahmen in der Stadt blieben.

Das aber sieht die Opposition kritisch. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich will zwar die Reederei in Hamburg erhalten, verlangt aber genaue Informationen über die Risiken. Diese beziffert der FDP-Wirtschaftspolitiker Thomas-Sönke Kluth auf „mindestens 14,7 Millionen Euro pro Jahr für den Haushalt“. So hoch seien die Zinsen für den Kredit, den Hamburg zum Anteilskauf aufnehmen muss. Ähnlich rechnen auch der Linksfraktionsvize Norbert Hackbusch und der grüne Kerstan.

Der SPD-Senat werfe „ohne Not einem privaten Unternehmen hunderte Millionen Euro hinterher“, so Kerstan. Das Geld wäre für die Universität, den Kauf der Energienetze oder den Bau der Stadtbahn besser angelegt. Aber SPD-Bürgermeister Olaf Scholz weigere sich ja beständig, „Sinnvolles zu finanzieren, wenn es ihm politisch nicht gefällt“.  SVEN-MICHAEL VEIT