Überhaupt keine Angst

SOUL-SPEKTAKEL Längst überfällig: die Schweizer Aeronauten haben mit „Too Big To Fail“ ein opulentes Doppelalbum vorgelegt – genresprengender Pop und ein gewagter Ritt durch die Geschichte des Souls, des Billig-Westerns und des 60er-Jahre-Thrillers

Die Sache sieht nur auf den ersten Blick nach Alterswerk und Größenwahn aus

VON NILS SCHUHMACHER

Es läuft immer so: die Plattenfirma will „den Hit“. Die Band will „ihn“ irgendwie auch, aber versteht etwas anderes darunter. Oder sie will „ihn“ eben nicht. Man kann sich jedenfalls nicht einigen. Die Plattenfirma geht schließlich pleite, die Band besteht bis zum St. Nimmerleinstag und noch darüber hinaus.

Es lässt sich nun nicht sagen, dass die aus der Schweiz stammenden Aeronauten im Laufe der vergangenen 21 Jahre keine Hits produziert hätten. Gibt es etwa einen schöneren global ausgesprochenen Trost als „Du bist nicht allein“? Eine subtilere Kokain-Hymne als „Schnee“? Eine liebevollere persönliche Beschreibung junger männlicher Linker in den 1990er Jahren als „Freundin“? Nein.

Aber die 1991 gegründete Band bewegt sich dennoch irgendwie auf einer eigenen Parallelspur, die immer schnurstracks an den großen Netzwerken und Zitierkartellen vorbeigeführt hat. Für den Kernbereich der „Hamburger Schule“ war sie jedenfalls immer ein bisschen zu verwundert-ironisch und zu wenig verwundet-akademisch. An ihren Rändern, dort wo sich Punk-Mentalität und Indierock verbündeten und musikalisch weiterentwickelten, dort wo Bands wie Huah und heute Superpunk zu Hause sind, kann man die Aeronauten jedoch guten Gewissens verorten: Als ein fröhlich-rumpelndes Soul-Spektakel mit exquisitem Gespür für gute Slogans, guten Drive und eine Haltung, die sich geschickt an Stromlinienförmigkeit und Durchhalteparolen vorbeimogelt. Wenn es in diesem Spannungsfeld Hits braucht, dann sind die Aeronauten bis heute eine ganz gute Adresse, bei der man mal nachfragen kann.

Pünktlich 20 Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung, einer Musik-Kassette, hat die Band nun ihr achtes Album vorgelegt. Es fällt mit 26 Songs, die sich auf zwei Platten verteilen, recht opulent aus. Die Sache sieht aber nur auf den ersten Blick nach Alterswerk und Größenwahn aus, denn letztlich passiert etwas längst Überfälliges. Die erste Platte bietet noch das, wofür man das Sextett bis heute kennt und schätzt. Genresprengender Pop mit Bläsern und allerlei weiterem Instrumentarium umrahmt die gewohnt nölige Stimme von Oliver Maurmann (aka „Guz“). Er weiß, was wir wissen: das Ende ist weiterhin nah und die Welt ist ein schlechter Ort wegen verschiedener Leute, denen man das einfach auch nicht oft genug sagen kann.

Auf der zweiten Platte dann schweigt der Mann – und die Aeronauten bauen sich vor einem als das auf, was sie in ihren besten Momenten eben auch sind: eine musikalisch mitreißende und alle Grenzen überschreitende Band, die hier einen gewagten Ritt durch die Geschichte des Souls, des Billig-Westerns und des 60er Jahre Thrillers unternimmt und auch keine Angst hat vor Polka und Jazz. Wahrscheinlich einfach überhaupt keine Angst hat.

■ Hamburg: Do. 16. 2., 21.30 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84; Kiel: Fr, 17. 2., 21 Uhr, Hansa48, Hansastraße 48; Bremen: Sa, 18. 2., 20 Uhr, Treue, Schlachte Anleger 5