Gewicht durch globale Präsenz

BRÜSSEL taz ■ Der Terminplan der Europäischen Kommission liest sich wie das Who’s who der Weltpolitik. So auch in dieser Woche: Regionalkommissarin Hübner besucht Riga; Justizkommissar Frattini trifft sich mit dem albanischen Innenminister; Benita Ferrero-Waldner empfängt den Präsidenten des lateinamerikanischen Parlaments; und Louis Michel tut, was er auch als belgischer Außenminister vorwiegend getan hat: Er weilt zu einer offiziellen Visite im Kongo, wo er am letzten Tag von Javier Solana unterstützt wird.

Der außenpolitische Aktionismus stand schon zu Zeiten der Prodi-Kommission in keinem Verhältnis zum Handlungsspielraum der europäischen Akteure. Seinerzeit sorgten noch Außenkommissar Chris Patten, Solana als außenpolitischer Repräsentant des Rates und der jeweilige Ratspräsident für Verwirrung. Doch Barrosos Mannschaft hat im Vergleich dazu noch einen Zahn zugelegt.

Der Aktionismus irritiert umso mehr, als die EU-Kommission in diesem Bereich nur wenig Kompetenzen hat. Außenhandelskommissar Peter Mandelson vertritt die Union bei der Welthandelsorganisation, Louis Michel koordiniert den gemeinschaftlichen Teil der Entwicklungshilfe, Olli Rehn kümmert sich um Erweiterung und Nachbarschaftspolitik. Alle anderen in dem 25-köpfigen Team, einschließlich Kommissionspräsident Barroso und Außenkommissarin Ferrero-Waldner, investieren viel Zeit in protokollarisches Ritual von geringer politischer Substanz.

Javier Solana hat in seiner ersten Amtszeit stetig an Gewicht gewonnen. Sein Status im Rat im Schatten des jeweils amtierenden Ratspräsidenten gibt ihm kaum Macht, sein Mitarbeiterstab ist winzig. Aber er ist in den vergangenen fünf Jahren so unermüdlich von einem Krisenherd zur nächsten Konferenz gejettet, dass ihn nun auf der Weltbühne jeder kennt. Darauf kann er aufbauen. Erfahrung, Beziehungen und die Verheißung, im Jahr 2007 Europas erster Außenminister zu werden, verleihen ihm Gewicht.

Daneben wirkt die ehemalige österreichische Außenministerin auch nach sechs Monaten im neuen Amt wie ein kleines Mädchen, das mit den Fingern schnippt und auf der Stelle hüpft, um endlich auch einmal bemerkt zu werden. Ob sie freie und unabhängige Wahlen im Libanon fordert, die Ecuadorianer zur Mäßigung mahnt oder vor dem EU-Parlament über „Europas globale Rolle“ spricht – ihr Engagement ist so breit gefächert wie folgenlos.

Trotzdem scheint sie an ihrem neuen Arbeitsplatz zu hängen. Sie wird oft gefragt, wie es 2007 beruflich bei ihr weitergeht. Sollte die Verfassung in Kraft treten, würde Javier Solana als erster europäischer Außenminister zwei Stühle gleichzeitig in Anspruch nehmen: seinen alten im Rat und den von Ferrero in der Kommission. Sie werde sich dann um die Nachbarschaftspolitik kümmern, antwortet die Österreicherin energisch. Damit wäre sie sicher ausgelastet – neue Nachbarn, die dringend aufgenommen werden möchten, hat die EU mehr, als ihr lieb ist. DPS