In fünfundzwanzig Parallelwelten

Um ein künftiges EU-Außenministerium wird gestritten. Derweil wurstelt jeder allein

BRÜSSEL taz ■ Hinter den Kulissen wird derzeit in Brüssel und den europäischen Hauptstädten das Fell eines Bären verteilt, der noch gar nicht erlegt ist. Verwaltungsexperten und Diplomaten brüten über Konzepten für den geplanten europäischen Auswärtigen Dienst. Den wird es aber nur geben, wenn die Verfassung 2007 tatsächlich in Kraft tritt. Dann entsteht ein typisch europäisches Dilemma: Der neue EU-Außenminister soll dem Rat der Regierungen und der Kommission gleichermaßen angehören. Wo aber soll sein Stab angesiedelt sein – beim Rat oder bei der Kommission?

Derzeit arbeiten einfach alle parallel: In der Kommission gibt es eine Generaldirektion für Außenbeziehungen und eine für Entwicklungszusammenarbeit. Für Javier Solana arbeitet im Rat ein kleiner Stab mit Diplomaten, die von den Hauptstädten abgestellt wurden. Die meiste Arbeitsenergie aber geht in den Auslandsvertretungen verloren. Der deutsche Botschafter in Washington, Günter Burghardt, schilderte das Problem kürzlich bei einer Anhörung im Europaparlament am Beispiel der Situation an seinem Arbeitsort. Dort seien 800 europäische Diplomaten tätig, nur vier Prozent davon im Auftrag der EU-Institutionen. Themen, die für alle Mitgliedstaaten den gleichen Stellenwert hätten, würden parallel zueinander in 25facher Ausführung behandelt.

Dass es wünschenswert wäre, die Kräfte zu bündeln, bestreitet niemand. Doch weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten wollen Einfluss aufgeben. Beim Rat registriert man mit Verbitterung, dass die beiden ehemaligen Außenminister Ferrero-Waldner (Österreich) und Louis Michel (Belgien) in ihrer neuen Rolle als EU-Kommissare auch ihre Meinung vollständig geändert haben. Früher hätten sie im Außenministerrat Solanas europäische Sicherheitsstrategie unterstützt. Nun aber beackere jeder sein Schrebergärtchen.

Argumentationshilfe haben die beiden Kommissare von Elmar Brok, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, erhalten. Er warnt davor, dass der neue Dienst eine „unabhängige Superadministration werden und ein unkontrollierbares Eigenleben führen“ könnte. Die neue Behörde für Außenbeziehungen müsse in die Kommission integriert werden. Im Umfeld von Solana ist man aber überzeugt, dass die Mitgliedstaaten eine solche Lösung nicht akzeptieren. Eine Ratsbehörde mit entsandten Vertretern aus allen Mitgliedstaaten würde den Hauptstädten das Gefühl geben, einen Fuß in der Tür zu behalten.

Eine Arbeitsgruppe im Rat erarbeitet derzeit ein Konzept für Solana. Sie schlägt unter anderem vor, dass Teile der Diplomatenausbildung vereinheitlicht werden sollen. Solana hofft, dass die Grundsatzentscheidung darüber bereits beim Gipfel im Juni fallen wird. Danach übernehmen die Briten die Ratspräsidentschaft. Die stehen gemeinschaftlichem außenpolitischem Handeln bekanntlich misstrauisch gegenüber.

DANIELA WEINGÄRTNER