Ein-Euro-Jobben für die Statistik

Arbeitslosenzahlen an Rhein und Ruhr gehen leicht zurück, während die Zahl der gemeinnützigen Zusatzjobber steigt. Essener Ökonom spricht von „Datennebel“ durch Arbeitsmarktreform Hartz IV

VON MARTIN TEIGELER

Die Zahl der Erwerbslosen an Rhein und Ruhr ist im April um 25.800 auf 1,06 Millionen gesunken. Doch zugleich steigt die Zahl der Billigjobber, die nicht mehr in der Statistik auftauchen. „Die Arbeitsmarktentlastung durch Zusatzjobs entwickelt sich kontinuierlich“, heißt es im gestern veröffentlichten Bericht der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit.

Aktuelle Abfragen zeigen demnach, dass mittlerweile knapp 39.000 – zumeist jüngere – Arbeitslose solche Arbeitsgelegenheiten ausüben. Dies seien 11 Prozent mehr als im März. Darunter sind auch rund 11.000 Ein-Euro-Jobs. Unbestätigten Meldungen zufolge sollen in NRW rund 50.000 weitere Ein-Euro-Jobs von der Arbeitsverwaltung genehmigt worden sein. Mit den gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten können Arbeitslosengeld-II-Empfänger ihre Transferleistung aufbessern. Roland Döhrn, Konjunkturexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, stellte gestern einen direkten Zusammenhang zwischen dem Rückgang der April-Zahlen und dem Anstieg der Zusatzjobs her. „Das ist der übliche saisonale Aufschwung verstärkt durch Ein-Euro-Jobs“, sagte Döhrn. Durch einen „riesigen Datennebel“ als Folge der Arbeitsmarktreform Hartz IV seien die Daten derzeit generell schwer einschätzbar.

Langzeitarbeitslose sollen mit Hartz IV stärker zu gemeinnützigen Tätigkeiten im Sozialsektor herangezogen werden. Diese befristeten „Arbeitsgelegenheiten“ werden mit ein bis zwei Euro pro Stunde entlohnt, sollen laut Gesetz aber keine regulären Normalarbeitsplätze verdrängen.

Doch diese Zielvorgabe wird nach Meinung zahlreicher Regierungskritiker verfehlt. Vor allem in den Kommunen würden oft dringend notwendige Arbeiten mit billigen, arbeitslosen Fachkräften auf Ein-Euro-Job-Basis verrichtet, bemängelt der Ver.di-Bundesvorstand. Dies fördere zudem eine Verdrängung regulärer Beschäftigung. „Wir haben einen Placebo-Effekt mit ganz schlimmen Nebenwirkungen“, so die Kritik der Dienstleistungsgewerkschaft. Präses Alfred Buß von der Evangelischen Kirche in Westfalen mahnte unlängst an, „dass gesellschaftlich sinnvolle Arbeitsbereiche erschlossen werden und diese Tätigkeit keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze gefährdet“. Außerdem müsse die Freiwilligkeit bei Übernahme der Ein-Euro-Jobs erhalten bleiben.

Ein weiterer statistischer Effekt muss jedoch ebenfalls konstatiert werden: Hartz IV schönt die Statistik wegen des Instruments „Ein-Euro-Job“, die Arbeitsmarktreform treibt die Zahl der Erwerbslosen jedoch zugleich nach oben. 95 Prozent der früheren erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger tauchen jetzt in der Statistik auf. Ohne Hartz IV läge die offizielle Arbeitslosigkeit in NRW somit wohl deutlich unter einer Million.