Flüchtlinge in Existenznot getrieben

Sozialdeputation winkt weitere Härten durch: Wenn ein Flüchtling zur Abschiebung eine „Widerstandshaltung“ einnimmt, kann der ganzen Familie das ohnehin knappe Lebensminimum noch gekürzt werden. Nur der Flüchtlingsrat protestiert

bremen taz ■ In Bremen scheinen Flüchtlinge langsam ihre letzte politische Lobby zu verlieren: Als die Sozialdeputation Anfang April die Pläne des Amtes für Soziale Dienste zur Kenntnis nahm, wonach künftig eine nicht näher definierte „Widerstandshaltung“ von Flüchtlingen gegen ihre geplante Abschiebung mit finanzieller Kürzung geahndet werden sollen, protestierte nur der Flüchtlingsrat. Sogar den Grünen fehlten offenbar echte Argumente gegen diese „Verwaltungsanordnung“, die am 15. April in Kraft getreten ist, denn: Solche Maßnahmen werden andernorts bereits angewendet. Doch verlangte der Grüne Sozialdeputierte Dirk Schmidtmann einen Bericht. In sechs Monaten will er prüfen, welche Wirkung die neue Anordnung hat. „Wir gehen davon aus, dass Kinder davon nicht betroffen sein werden“, beschwichtigt er. In der Sozialbehörde sieht man das anders. „Die Regelung betrifft auch Kinder.“

Britta Ratsch-Menke von der Ökumenischen Ausländerarbeit in Bremen dagegen fragt: „Was soll denn eine Widerstandshaltung sein?“ Je nach Auslegung und Sachbearbeiter könne dies doch schon die bloße Äußerung sein, nicht ins Heimatland zurück zu wollen. Ganz besonders zwielichtig ist eine solche Strafandrohung aus Sicht von Kirchenleuten auch deshalb, weil doch insbesondere verfolgte Flüchtlinge bei der Rückkehr ins Heimatland Schlimmstes befürchten. Hier lag einst die Wurzel fürs Kirchenasyl – und neuerdings zur Kürzung unterhalb des Lebensminimums.

Was das für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern bedeutet, hat der Bremer Flüchtlingsrat errechnet: Bekommt der Haushaltsvorstand nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das Zuwendungen unter Sozialhilfesatz vorgibt, schon jetzt nur 224,97 Euro pro Monat für Ernährung, Fahrkarten, Hygiene und Kleidung, wären es bei einer Strafkürzung für verweigerte Mitwirkung bei der Abschiebung künftig nur noch 163,62 Euro. Dann bliebe der Familie pro Kopf und Tag 3,76 Euro. Dies und das „Arbeitsverbot stehen gegen ein menschenwürdiges Leben und treibe Menschen in Verelendung und Kriminalität“, warnt der Flüchtlingsrat. Es treffe „Menschen, deren reale Lebenssituation in deutschen Gesetzen nicht mehr vorgesehen ist“.

Besonders gemein ist aus Sicht der FlüchtlingshelferInnen, dass die Leistungskürzung gar keinen Einfluss auf schnellere Abschiebung hätte. Diesen „vorgeblich erhofften Erfolg“ zu erzielen, liege meist nicht in der Macht der Betroffenen. Rechtsanwälte und Flüchtlinge wüssten seit langem, dass bestimmte Flüchtlingsgruppen von ihren Herkunftsstaaten keine Papiere erhalten – dies gelte beispielsweise für einige westafrikanische Länder, für verschiedene Minderheiten aus Syrien und für Roma, deren Abschiebung ins Kosovo unmöglich ist. ede