frau schwab lernte polnisch
: Was ist geblieben? – „Autobusem“!

Das hier ist eine Strafarbeit mit zwölfstündigem Nachsitzen, acht davon im Zug. Zehntausend Mal kann man in der Zeit schreiben: „Ich muss meine Polnischvokabeln pauken.“

Sie erinnern sich: Zum EU-Beitritt Polens vor einem Jahr bin ich für Sie zum Polnischkurs gegangen. „Frau Schwab lernt Polnisch“ lautete das Motto. Wöchentlich wurde über meine Fortschritte informiert. An meinen Schwierigkeiten durften Sie sich erfreuen. Einmal habe ich geschwänzt und bin ohne Rückfahrkarte, ohne Stadtplan, ohne Złoty nach Gorzów gefahren. Ehemals Landsberg. Kaum 150 Kilometer östlich von Berlin. Eine Erfolgsgeschichte wurde daraus nicht.

Jetzt, ein Jahr später: „Frau Schwab, wie halten Sie es mit Polnisch?“ Schadenfreude glitzert in den Augen der Kollegen. „Fahr noch mal nach Gorzów“, fordern sie. Die Unterzeile des Berichts kannten sie schon. Ganz im Sinne Becketts heißt sie: „Nächstes Mal – besser scheitern.“

Sicher, die Wiederholung der Reise hat Vorteile: Obwohl meine Polnischkenntnisse gleich geblieben sind, kenne ich die Stadt schon. Mit der Frage „Entschuldigung, wo ist das Zentrum“, irritiere ich keinen Gorzówer mehr, weil ich sie diesmal nicht stelle.

Niemand darf mir vorwerfen, ich hätte in den nächsten vier Stunden nicht das Gespräch mit den Einheimischen gesucht. Denn nur dieses bringe einen weiter. Bis auf meinen ehemaligen Schulfreund sollen nur noch Leute im Sprachkurs sein, die mit Polen liiert sind. „Flirten“, dachte ich, „hilft.“

Gleich in der Kneipe gegenüber vom Bahnhaf gelingt die erste Begegnung. Ein Alkoholiker mit zahnlosem Mund setzt sich zu mir. Er sagt was, und ich antworte auf Polnisch, dass ich kein Polnisch verstehe. Ob ich denn Russisch könne, fragt er. Hab’s mal gelernt, aber vergessen. Die Antwort überzeugt ihn, und er erzählt mir sein Leben. Das geht etwa so: Er kommt aus Südpolen und war im Krieg in Kiew, aber irgendwann wurde er verjagt. Das mit dem Verjagen, habe ich aus seiner Handbewegung geschlossen. „Ja, Krieg ist schlecht“, sage ich in einer Sprache, die aus meiner Sicht universelles Slawisch ist. Dann sitzen wir da und schweigen.

Um es kurz zu machen, denn viel Platz gesteht man mir hier nicht zu: Mein Polnisch reicht, um mit Säufern und Klofrauen zu sprechen. Gott sei Dank sind die öffentlichen Toiletten in Gorzów – vier davon suche ich auf – noch nicht automatisiert. Weil ich als Souvenir einer Bäuerin 20 Tulpen abkaufe, die ich fortan mit mir herumschleppe, gibt es in den WCs immer Anlass zum Sprechen. Dass die Blumen schön seien, wie viel ich bezahlt habe und so.

Der letzte Flirtversuch findet dann noch am Bahnhof statt: Ein Mann, alkoholisiert, spricht mich an. „Ich verstehe nicht“, sage ich, weiche seinem Blick dennoch nicht aus. Woher ich komme? Aus Deutschland. „Oh Benedikt, Benedikt“, ruft er mit ausgebreiteten Armen und fällt vor mir auf die Knie.

Kurz vor Abfahrt des Zugs dringt ein Wort aus der ständig wiederholten Lautsprecherdurchsage in mein Bewusstsein. „Autobusem“. Dass ich kapiere, was dahinter steckt, ist mein Gesellenstück: Schienenersatzverkehr! Als der Bus losfahren will, springe ich gerade noch auf.

WALTRAUD SCHWAB

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