PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Der Pate

Vor 17 Jahren stand ich vor einem Taufbecken und ahnte nicht, was auf mich zukommt

„… und würde mich freuen, bald zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Mit freundlichen Grüßen …“ Gestern habe ich wieder einen Brief abgeschickt, in dem ich mich um eine Lehrstelle als Restaurantfachfrau beworben habe. Ich erledige nämlich den Schriftverkehr für meine Patentochter Sabrina.

Sabrina hat Hauptschulabschluss und ist 17 Jahre alt. Zwei Behinderungen also. Behinderung eins, so sagte mir ein Ausbildungsberater bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer, ist ihr Schulabschluss. Denn in viele Lehrberufe drängen heute auch Abiturienten und Realschüler. Behinderung zwei, das ist ihr Alter. Denn erst mit 18 Jahren darf man im Gastgewerbe voll eingesetzt werden. Für jüngere Jugendliche ist um 22 Uhr Feierabend. Dass Sabrina bei allen Familienfeiern die Servietten so schön faltet, dass man gar nicht wagt, sie zu benutzten – danach fragt natürlich keiner.

Was ein richtiger Patenonkel ist, der gibt aber nicht gleich auf. Immerhin kennt man den Präsidenten des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands persönlich. Und so saßen wir kürzlich an einem Samstagvormittag einem gebräunten, grau melierten und gut gelaunten Ernst Fischer gegenüber. Im Eingangsbereich zu seinem Restaurant „Rosenau“ hing ein Foto, das ihn zusammen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte. Sie schüttelten Hände, und ich nahm das als gutes Zeichen.

Ich hatte Sabrina tags zuvor gesagt, sie solle sich anständig anziehen und ihr freundliches Gesicht aufsetzen. Sie hatte dann eine tief ausgeschnittene Bluse und einen Jeansrock für anständig gehalten und lächelte, während der Präsident ihr erzählte, dass man sich in diesem Beruf nicht auf ein pünktliches Arbeitsende einrichten könne: „Wenn da einem Gast plötzlich einfällt, dass er Geburtstag hat, dann geht es eben bis vier Uhr.“ Sabrina nickte stumm.

Ernst Fischer empfahl uns das Stausee-Hotel. Wir also am nächsten Tag auf die Terrasse des Stausee-Hotels, die Bewerbungsunterlagen in der Tasche und erst mal einen Capucchino bestellt. Dreimal bei der Bedienung einen Aschenbecher angemahnt. „Sabrina“, sagte ich, „das ist schon Teil deiner Ausbildung.“ Wir gaben dennoch ein ordentliches Trinkgeld (fast zwei Euro). Es wurde allerdings dann doch nichts. Der Hotelbesitzer schrieb ihr Tage später zurück, dass er nur Lehrlinge ab 18 Jahren einstellt.

Nicht aufgeben. Es gibt 250.000 Gaststätten in Deutschland, in denen „eine Million Beschäftigte Tag für Tag optimalen Service und hochwertige Produkte für den Gast bieten“, steht in einer Broschüre der Branche. Siehe Aschenbecher.

Seit dem Film gleichen Namens hat der Begriff „Pate“ an Vertrauen eingebüßt. „Fidejussor“, „patrinus“ oder „compater“, wie der Lateiner sagt, klingt da vielleicht noch besser. Am besten aber trifft es wieder mal das katholische Kirchenlexikon: „sponsor fidei“ – der alles gibt und immer hofft. Wenn Patenonkel überhaupt zu etwas gut sind, dann doch für so was. Vorsorglich habe ich meinem eigenen Kind sechs Patentanten und -onkels an die Seite gestellt. Vielleicht braucht er ja auch mal eine Lehrstelle.

Seit ein paar Tagen schreibe ich also wieder Briefe. Den letzten an den Gasthof Löwen in Dettingen-Ermstal. Dort versuchten wir es mal mit Understatement: „Da ich mit meinen Englischkenntnissen nicht zufrieden bin, nehme ich zurzeit Privatunterricht.“ Das klingt gut, finde ich, und zeigt, dass hier jemand hart an sich selbst arbeitet. Hartnäckig sein, dran bleiben, nicht aufgeben, „das ganze Land muss mehr Gas geben“, sagt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking diese Woche in einem Zeit-Interview. Der Mann hat Recht.

Übrigens suche ich noch für einen meiner Journalistenschüler ein möbliertes Zimmer. Und für Pauline, ein Au-pair-Mädchen aus Simbabwe, eine Familie. Wenn mir zudem jemand sagen könnte, wie ich einem anerkannten Asylbewerber aus Montenegro dabei helfen kann, sich eine professionelle Filmausrüstung zuzulegen, wäre ich ebenfalls sehr dankbar.

Fragen zur Patenschaft? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried über CHARTS