Jetzt bei Edeka: Spar-Maßnahmen

Weil der Hamburger Konzern Spar und Netto schluckt, fürchten Verbraucherschützer um „innere Produktwerte“

BERLIN taz ■ Die andere Art der Sortimentserweiterung: Die Hamburger Edeka-Gruppe übernimmt die kriselnde Konkurrenzkette Spar. Und Teile des kleinen Aldi-Konkurrenten Netto gleich mit. Gestern gab Edeka diese Übernahme bekannt. Es ist eine der größten in der deutschen Einzelhandelsbranche.

Der Name Netto werde erst einmal bleiben, der Name Spar auch, sagte Edeka-Sprecher Alexander Lüders der taz. Zu den künftigen Mitarbeiterzahlen gibt es noch keine Angaben. Der Kaufpreis? Geheim! Bekannt ist hingegen: Die Edeka-Gruppe gehört schon jetzt zu den führenden der Branche. Ihre Verkaufsfläche legte letztes Jahr zu. Doch stieg der Umsatz nur um 0,3 Prozent auf 31,6 Milliarden Euro.

Wer derzeit wachsen will, darf eben nicht auf den Verbraucher hoffen. Die Bundesbürger haben keine Lust einzukaufen. Und das, so teilte die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) erst diese Woche mit, wird sich auch nicht viel bessern.

Die Hamburger schreckt offenbar auch nicht, dass Spar seit Jahren angeschlagen ist und sich längst von eigenen Supermärkten getrennt hat. Die Zentrale beliefert nur noch als Großhändler 2.400 Kaufleute, die ihr Geschäft weiter unter dem Spar-Logo führen. Der Betriebsverlust 2004: 28 Millionen Euro. Im Jahr zuvor waren es sogar fast 100 Millionen. Gäbe es nicht den Großaktionär, die französische Intermarché-Gruppe, sähe es noch schlechter aus. Er half mit dreistelligen Millionen-Beträgen und übernahm die Discounter-Kette Netto für 550 Millionen Euro.

Edeka-Sprecher Lüders rechnet hingegen so: „Der Umsatz steigt um 5,3 Milliarden Euro.“ Die Spar-Handels AG sei saniert und die Übernahme von Netto Süd zu 100 und Netto Nord zu 25 Prozent besonders lukrativ. Tatsächlich ist das eine Kampfansage an Aldi und Lidl. Bislang hat der Hamburger Handelskonzern nur wenige Discounter, nun aber gut 1.000 Netto-Märkte.

Noch müssen der Übernahme die Kartellbehörden zustimmen. Sie hätte wohl keine Chance, dürfte Christian Fronczak, der Sprecher des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale, entscheiden. Sein Urteil: „Sehr bedenklich.“ Zu wenige Handelsketten beherrschten mittlerweile die Regalschluchten. Neben Edeka sind das Aldi, Lidl, Rewe und die Metro. Fronczak: „Der ohnehin immense Druck auf die Lieferanten wird höher.“ Diese könnten sich dann nicht mehr um die „inneren Werte von Waren“ kümmern, um Tierschutz, Umweltschutz oder soziale Arbeitsbedingungen.

Indizien gibt es schon jetzt: Damit sie sich ausgiebig um neue, günstigere Konditionen für Milch-, Obst- und Fleischproduzenten kümmern können, soll den Edeka-Einkäufern bereits eine Urlaubssperre verhängt worden sein. HANNA GERSMANN