DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Amen

ABSCHIED Die Trauerfeier für die vor einer Woche verstorbene Popsängerin Whitney Houston gerät zu einer prätentiösen Huldigung

Nun ist sie also endgültig dem Weltlichen entschwebt und singt fortan nur noch für Gott. Am Samstag haben Familie, Freunde und die unerlässlichen Weggefährten Abschied genommen von Whitney Houston. In der Kirche, in der sie als Kind im Gospelchor gesungen hat, in der Baptistenkirche New Hope in Newark, New Jersey. Amen.

Das Drama beginnt schon mit Piers Morgan, dem Briten, der für CNN die Liveberichterstattung des Senders moderierte. „Ich war noch nie in der Nähe dieser Kirche, aber ich fühle mich so erhaben.“ Amen.

Das allein hätte zum Abschalten gereicht, doch das Line-up der Trauergemeinde ist pure A-Prominenz, es ist die letzte große Show für den gefallenen Star: Kevin Costner, Alicia Keys, Stevie Wonder, Oprah Winfrey, Maria Carey – und natürlich Houstons Cousine Dionne Warwick, die in schier endloser Schleife Redner und Performer nach vorne bittet, um Houston zu huldigen. Amen.

Und hach, was ist es emotional, was ist es pures Drama, noch einmal, zum Abschied. Kevin Costner, der mit brüchiger Stimme von der unsicheren Whitney am Set von „Bodyguard“ erzählt, die ihn stets gefragt hätte: „Bin ich gut genug?“, Alicia Keys, die, bevor sie dem Engel Whitney ein Lied singt, zu erzählen weiß, dass Whitney manchmal bei ihr angerufen hätte „einfach, um Hallo zu sagen“. Amen.

Die Brüche im Leben der Sängerin, ihr Fall, dafür ist kein Platz auf einer Feier, die sich gut verkaufen und die Zuschauer am Bildschirm halten soll. Ehrlich und schlicht wäre das gewesen, was Baptistengemeinden auszeichnet: die Gospelsongs, vorgetragen nicht von Stars, sondern von wirklichen Weggefährten des Mädchens aus Jersey. Doch das wäre wohl nicht gut genug gewesen. Amen. RIEKE HAVERTZ