UNTERM STRICH

Er war der Prototyp des „engagierten Intellektuellen“ nach Sartres Vorbild: der französische Philosoph Francis Jeanson, der Samstagnacht 87-jährig in seiner Villa bei Bordeaux gestorben ist, wie gestern bekannt wurde. 1952 traf ihn die Ironie der Geschichte: Als Autor und Algerienkämpfer selbst ein „Mensch in der Revolte“, wurde Jeanson dazu bestimmt, den gleichnamigen Essay („L’homme revolté“) von Albert Camus in Sartres Literaturzeitschrift Les Temps Modernes zu besprechen; dieser Verriss auf Bestellung war es, der zur Entzweiung der beiden französischen Existenzialisten führte.

Von Sartre übernahm Jeanson die Überzeugung, dass der Mensch zugleich frei und ein „Nichts“ sei; erst durch seine Taten könne er existieren. Jeanson selbst existierte durch seinen Kampf gegen den Kolonialismus; im Essay „L’Algérie hors la loi“ (Das gesetzlose Algerien) kritisierte er 1955 die französische „Integrationspolitik“ und sympathisierte mit dem bewaffneten Unabhängigkeitskampf der algerischen Partei FLN („Front de libération nationale“). Die Schrift löste eine heftige Polemik aus und wurde zum Manifest der militanten Antikolonialisten, die der Philosoph seit 1957 auch logistisch unterstützte: mit dem Netzwerk der „Kofferträger“ („porteurs de valises“). Jetzt hat Jeanson seine Koffer abgestellt.