Der Suppenengel

Der Beginn hat im Nachhinein fast etwas Schicksalhaftes, aber so ist es wohl oft bei Projekten, die aus dem Nichts zu kommen scheinen und weite Kreise ziehen. Zia-Gabriele Hüttinger hatte schon als Erzieherin gearbeitet, als Köchin, und studiert. Nun war sie arbeitslos und fragte sich, was für sie mehr als ein Job sein könnte, nämlich eine Berufung. Sie besuchte ein Seminar, anschließend sagte die Leiterin zu ihr: Sei aufmerksam, was in den nächsten Tagen passiert. Nach zwei Tagen hörte Hüttinger einen Bericht, dass Obdachlose trotz 20 Grad minus aus den Bahnhöfen vertrieben würden.

Ein paar Tage später rief sie bei einer Radiosendung an und erzählte, dass sie Suppe für Obdachlose kochen und per Fahrrad verteilen wolle. Ein Anwalt, der zuhörte, meldete sich: „Ich habe keine Zeit, selbst etwas zu tun“, sagte er, „aber ich möchte sehen, wie weit Sie mit 500 Mark kommen.“ Das war 1997 und der Beginn eines Projekts, das immer weitere Kreise gezogen hat.

Heute verteilen die Bremer Suppenengel fünfmal pro Woche Suppe, donnerstags Kleidung und Kaffee, aus dem Ein-Frau-Projekt ist eine Gruppe von 30 Helfern geworden, teils Ehrenamtliche, teils Integrations-Jobber der Bremer Tafel.

Hört man Zia-Gabriele Hüttinger am Telefon, zweifelt man nicht an dem, was ihre Kollegen sagen: dass sie die Gabe habe, Leute zu überzeugen, wie etwa jene SchülerInnen, die für die Suppenengel kochen. Oder den muslimischen Geschäftsmann, der nun Plastikgefäße zum Einkaufspreis an sie weitergibt und erklärt, dass es ihm eine Ehre sei, zu helfen. Jetzt gilt es, Menschen zu finden, die die 750 Euro Eigenanteil finanzieren, damit Zia-Gabriele Hüttinger, die von Hartz IV lebt, selbst als Angestellte bei den Suppenengeln arbeiten kann.

Man zweifelt auch nicht daran, dass sie energisch werden kann. Wenn sie zum Beispiel einen Klinikarzt zurechtweist, der einen Obdachlosen wegschicken will, weil der ja schon seit drei Wochen eine gebrochene Schulter habe. Jetzt, mit dem Ende des Winters, seien die Probleme nicht vorbei, das eigentliche bestehe das ganze Jahr: „Die Psyche geht auf dem Fußboden spazieren“, sagt sie. „90 Prozent haben resigniert.“ Damit abfinden will sie sich nicht.  GRÄ