Strafanzeige wegen Hungertod

Weil Hamburg einer psychisch kranken Frau die Sozialhilfe verweigerte, starb sie. Anwalt stellt jetzt Anzeige wegen fahrlässiger Tötung. Staatsanwaltschaft ermittelt bereits

Der Fall der am 2. Dezember 2004 in einem Hochhaus in Farmsen verhungert aufgefundenen 41-jährigen Frau hat ein juristisches Nachspiel. So hat der Berliner Anwalt Alexander Paetow jetzt Strafanzeige gegen Unbekannt wegen „fahrlässiger Tötung durch Unterlassen“ und „versuchter Nötigung“ gestellt.

Wie die taz berichtete, war der psychisch kranken Frau seit 1. September 2004 auf Anweisung ihrer Betreuerin die Auszahlung der Sozialhilfe verweigert worden. Das bestätigte inzwischen der Senat in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Dirk Kienscherf (SPD). Es ist nun zu befürchten, dass die Frau starb, weil ihr schlicht das Geld fürs Essen fehlte.

Paetow handelt im Auftrag der in Berlin ansässigen Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e. V. Diese wehrt sich schon seit längerem gegen die „unsägliche Praxis“ von Betreuern, durch Sozialhilfeentzug Verhalten zu erzwingen, berichtet der Anwalt im Gespräch mit der taz: „Ein so krasser Fall, dass dies über Monate geschieht, war uns aber bisher nicht bekannt.“ Der Gesetzgeber habe beim Betreuungsrecht „aus gutem Grund“ darauf verzichtet, die Betreuer mit Zwangsbefugnissen auszustatten, um den persönlichen Kontakt zu erzwingen. „Dieses Verhalten verstößt in eklatanter Weise gegen die Menschenwürde“, ergänzt Vereinsvorstand René Talbot.

Nach Ansicht Paetows hat die Betreuerin durch „aktives Tun“ ursächlich zum späteren Hungertod beigetragen. Sie hätte erkunden müssen, ob die Frau in der Lage war, sich auch ohne Sozialhilfe zu ernähren.

Der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, konnte gestern den Eingang der Anzeige noch nicht bestätigen. Er erklärte aber, dass seine Kollegen bereits „von Amts wegen“ aufgrund des „Verdachts der fahrlässigen Tötung“ und einer „Straftat durch Unterlassen“ gegen „verantwortliche Personen“ ermitteln.

„Es ist ein Skandal, dass man einer psychisch kranken Frau das Essen verweigern kann. Die handelt nicht rational“, befindet der Abgeordnete Dirk Kienscherf. Er will nun in einer erneuten kleinen Anfrage an den Senat klären, ob die Praxis der Sozialhilfeverweigerung in Hamburg noch immer existiert oder ob diese auf Weisung der fachlich zuständigen Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) inzwischen abgestellt wurde. Kaija Kutter