Gangstas Negerküsse

Kultkugeln und High-End-Kekse: Amerikas Rapper stehen auf deutsche Süßigkeiten

Marken wie Super-Dickmanns oder Werthers Echte tauchen jetzt in den Musikvideos auf

„Yo, what’s up? ’Dis is Snoop Dogg, tryin’ to put these nu legs down for this nu negro kisses from Germany. What I gotta do to get that brand nu negro kisses outta ya?“ So beginnt Snoop Doggs aktueller Hit „Gro Gro Negro Kisses“. Ein Hilfeschrei der ganz besonderen Art. Für die überwiegend schwarzen Rapper sind die politisch gänzlich unkorrekten „Negerküsse“ der allerneueste Hype. Die luftige Schaumspezialität aus Deutschland ist momentan von keinem Backstage-Buffet mehr wegzudenken.

Auch andere amerikanische Rapper wie Jay-Z oder Sean „P. Diddy“ sind verrückt nach Naschwerk made in Germany. Marken wie Super-Dickmanns, Haribo oder Werthers Echte sind schon in ihren Musikvideos aufgetaucht. Mit Vorliebe vertilgen die Stars diese Süßigkeiten in riesigen Mengen und rauchen dazu dicke Zigarren. „Pass the Leibniz-Keks“ ist der neueste Hit von Busta Rhyme, der schon die Top 40 der Rap-Charts erreicht hat.

Klar, dass da Miriam Kempa jubelt angesichts explodierender Verkaufszahlen. Die PR-Frau von Bahlsen bezeichnet Leibniz-Keks als „core brand“ des Gebäckspezialisten und will den urdeutschen Traditionskeks nun als angesagteste Modeknabberei weltweit etablieren. Endlich sei es gelungen, das angestaubte Image zu verjüngen. Zu lange sei Bahlsen mit Kaffeeklatsch, Damenkränzchen und bröselnden Rentnern in beigen Strickjacken assoziiert worden. „Die jungen Metropolenbewohner sind unsere Zukunft“, sagt die umtriebige Public-Relations-Frau.

Die Exporterfolge geben ihr Recht. Ein Drittel der Gebäckmischungen geht mittlerweile über den Großen Teich. Bahlsens Bemühungen werden von den amerikanischen Trendsettern genau registriert. „Jeder spricht über Leibniz“, sagt Busta Rhymes’ Keksberater Big Slice – und greift in die riesige goldene Spezial-Keksdose auf seinem Schreibtisch. „Von all den Keksen, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind, haben sie den meisten Stil“, lobt Big Slice den hell knisternden Keks und verspeist genüsslich gleich zwei davon auf einmal.

Die anderen großen Süßwarenhersteller stehen den Hannoveranern in nichts nach. Auch sie initiieren aufwendige Werbekampagnen und Special Events in Szenelokalen, wo gut verdienende Medienleute zum Cocktail gern vom guten alten bunten Leckerteller naschen. Einen besonderen Marketing-Gag hat sich der Hersteller Halloren-Kugeln ausgedacht. „Halloween with Halloren“ lautet das Motto der brandaktuellen Promotion, mit der die ostdeutsche Kultkugel den nordamerikanischen Naschkatzen im Herbst näher gebracht werden soll.

Wer das kulinarische Deutschland bislang nur mit Bratwürsten und Sauerkraut assoziierte, wird umdenken müssen. Die neue deutsche Süßigkeitswelle ist im Begriff, die Welt zu erobern. Vor allem das gehobene Käufersegment der Gourmets goutiert im wahrsten Sinne des Wortes zunehmend deutsche Premiumschleckereien. Hier ist für die Hersteller auch am meisten zu verdienen. Grand-Cru-Weingummis etwa mit erlesenen Rieslingen von der Mosel, Brausepulver der Luxusklasse, das etlichen Hollywoodstars schon als stylisher Koksersatz dienen soll, Jahrgangs-Gummibärchen in den Trendfarben der Saison sind nur einige Beispiele von vielen. Der Kreativität deutscher Süßwarendesigner scheinen keine Grenzen gesetzt.

Dass man es mit der Verfeinerung der Luxussüßigkeiten aber auch übertreiben kann, musste Premiumanbieter Xox erfahren. Er stattet seine High-End-Kekse mit einem revolutionären Anti-Brösel-System aus, mit dem laut Werbeaussage das lästige Bröseln beim Verzehr endgültig der Vergangenheit angehören soll. Peinlich nur, dass ausgerechnet beim Xox-gesponserten Empfang vor der Grammy-Verleihung das Keks-ABS versagte und mehrere Musiker gesichtet wurden, die sich mit angewiderter Miene die Brösel vom Revers wischten. Nach dieser PR-Katastrophe mussten in der größten Rückrufaktion der deutschen Gebäckgeschichte 1,3 Millionen Keksschachteln aus den Regalen genommen und ins Werk zurückgebracht werden. Nach aufwendigen Tests konnte der Fehler zwar gefunden und behoben werden – doch der Imageschaden wird so schnell nicht wieder gutzumachen sein. In der Szene wird bereits gemunkelt, dass beim nächsten Hit des Wu-Tang Clans die Xox-Kekse heftig verspottet werden: „Lick ya Xox and shake ya bootie“. RÜDIGER KIND